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Die Speisekarte im Museum "The Kennedys" zeigt das Menü, das die einstige Präsidentenfamilie bei ihrem Berlin-Besuch gegessen hat.

© dpa

Das Menü für Obama: Die streng geheime Küche

Als der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy 1963 nach Berlin kam, aß er Steinbutt, Rinderfilet und Eis „Jacqueline“. Wie Obama am heutigen Abend bekocht wird, ist noch streng geheim. Der kulinarische Trend lässt aber Vermutungen offen.

Nicht so einfach, einen Präsidenten zu bekochen. Im Protokoll der Senatskanzlei hatte man sich, bevor Kennedy kam, die üblichen Sorgen gemacht und deshalb intern die Grundzüge festgehalten: Der Präsident, so wusste man, mochte kein Kalbfleisch – damit flog die sonst allen Staatsgästen behagende Lösung aus dem Programm. Doch davon abgesehen war Kennedys Geschmack einfach: Er aß gern Cremesuppe oder Fischmousse, dann Fleisch vom Grill als Hauptgang ohne Soße, Gemüse jeglicher Art, auch Salat und Käse, schließlich ein leichtes Dessert wie ein Soufflé oder Eisbombe. Und: lieber drei Gänge als vier.

Damit waren die Grundsätze des bevorstehenden Staatsbanketts klar, und die Köche konnten ans Werk gehen. Was da genau serviert wurde, ist aus heutiger Sicht nur annähernd zu sagen. Es begann mit einem Steinbutt-Cocktail „Ratsherren-Art“ – dieser Beiname hat eine diffuse Bedeutung, wird heute nur noch auf Dosen und in der tiefen Provinz verwendet. Vermutlich wurden gegarte Fischstücke zusammen mit Champignons oder Pfifferlingen und Speckwürfeln warm in Hollandaise oder kalt mit Mayonnaise serviert. Dazu gab es nach alter Väter Sitte Toast und Butter – das stand sogar auf der Menükarte.

Der Beiname des anschließend gereichten Rinderfilets, „Renaissance“, hat keinen kulinarischen Hintergrund, sondern ist eher damit zu erklären, dass bedeutende Gerichte in dieser Zeit eben pompöse Namen hatten. Denn es handelte sich ja um schlichtes Grillfleisch mit Spargel, gedünstetem Paprika, Schlosskartoffeln und Salatherzen, die wiederum den Namen „Karoline“ trugen, eine Reverenz an Kennedys Tochter. Abgeschlossen wurde das Bankett mit einer Eis-Charlotte, die natürlich „Jacqueline“ genannt wurde, Zusammensetzung heute unbekannt. Wahrscheinlich hätte sie ohne die First Lady einfach „Fürst Pückler“ geheißen.

Interessanter waren die Weine – zumal deshalb, weil vor kurzem Gunnar Tietz, der Chefsommelier des Palace-Hotels, auf eine unmögliche Mission geschickt wurde: Er sollte irgendwo exakt diese Originalweine für Obama auftreiben, doch es gibt sie erwartungsgemäß auch bei den Erzeugern nicht mehr. Kein Wunder, denn es handelte sich nicht um bedeutende Pretiosen, sondern um solide deutsche Weine, typisch für den damaligen Stil.

Zum Steinbutt gab es 1961er Piesporter Grafenberg Riesling vom Gut Reichsgraf von Kesselstatt, einen jungen, nach heutigen Maßstäben vermutlich halbtrockenen oder „feinherben“ Moselwein aus großer Lage. Zum Rind hatte sich das Protokoll sogar einen richtig süßen Wein aus einem richtig großen Jahrgang einfallen lassen, nämlich eine 1959er Riesling Spätlese Ruppertsberger Nußbien von J. L. Wolf aus der Pfalz; wer lieber Roten mochte, wurde mit einem Beaujolais, also einem eher bescheidenen französischen Wein bedient, einem 1959er Moulin-à-vent von Patriarche. Schließlich gab es zum Dessert deutschen Riesling-Sekt.

Obama muss auf diese historische Reminiszenz also verzichten, obwohl zumindest die beiden deutschen Weine durchaus noch angenehm trinkbar sein könnten, sofern sie jung genügend Zucker und Säure enthielten. Der Rotwein wäre aber auf jeden Fall ungenießbar, der Sekt zumindest völlig prickelfrei. Welche Weine und Gerichte dem heutigen Präsidenten serviert werden, ist noch streng geheim – aber man wird vermuten dürfen, dass der Zeitgeist internationale Klassiker längst verschmäht und eher Berliner Traditionen aufgreift – oder gar Königsberger.

Die Menükarte, auf die sich dieser Text bezieht, stammt aus dem Privatbesitz des Grafen Finckenstein. Sie ist ab 20. Juni im Rahmen einer Sonderschau im Museum „The Kennedys“ in der Auguststraße 11–13 in Mitte ausgestellt.

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