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Berlin: Das Neue Jahr beginnt und die Berliner Politik tritt noch immer auf der Stelle (Leitartikel)

Neues Schuljahr, alte Probleme. Sanierungsbedürftige Schulgebäude, Lehrermangel und Unterrichtsausfall - nach den Ferien holt die triste Wirklichkeit Schüler und Lehrer wieder ein.

Neues Schuljahr, alte Probleme. Sanierungsbedürftige Schulgebäude, Lehrermangel und Unterrichtsausfall - nach den Ferien holt die triste Wirklichkeit Schüler und Lehrer wieder ein. Doch nach Jahren des absoluten Stillstands in der Schulpolitik gibt es Zeichen von Veränderung. Der Senat hat 400 zusätzliche Lehrerstellen bewilligt, es gibt an Gymnasien mehr fünfte Klassen und "Schnell-Läufer"-Angebote zum Abitur nach 12 Jahren.

Auf das Konto der Schulverwaltung gehen diese kleinen Verbesserungen nur zum geringsten Teil. Schulsenatorin Stahmer hat nahezu jedes Gewicht im Senat verloren. Wohl selten ist eine Senatorin von der eigenen Partei so demontiert und gedemütigt worden wie die vormalige SPD-Spitzenkandidatin. Nein, wenn neue Bewegung in die Schullandschaft gekommen ist, dann ist dies vor allem ein Verdienst der Eltern. Sie haben die Geduld verloren mit einer Schulpolitik, die sich in ideologischen Scharmützeln erschöpfte. Sie klagen ihr Recht auf eine Schule ein, die ihren Kindern eine Ausbildung bietet, die den Anforderungen der Zukunft standhält und international konkurrieren kann. Mit dem Thema Bildung werden wieder Wahlen entschieden - zumindest dies haben CDU und SPD begriffen.

Der Unmut der Eltern hat die Kontrahenten aus den ideologischen Schützengräben getrieben. Vor allem gilt das für die SPD, auch wenn sie oft noch mit seltsamen Verrenkungen im pädagogischen Gelände herumstolpert. So lehnt deren Bildungskommission die Schnell-Läufer-Klassen zum Abitur nach zwölf Klassen ab - will aber das Abitur nach 12 Jahren für alle Schüler. Da lugt noch die Angst vor Elitenbildung hervor.

Für Kinder aber sind andere Maßstäbe wichtiger. Sie wollen eine Schule, in der ihre Lust am Lernen geweckt und unterstützt wird, in der sie gefordert und nicht gelangweilt werden. Die Schüler brauchen Einrichtungen, in der Begabtenförderung und soziales Lernen keine Gegensätze sind, individuelle Neigungen ihren Platz in einer vielfältigen Schullandschaft finden und ein Abitur nach 12 oder 13 Jahren eine persönliche Entscheidung von Eltern oder Jugendlichen bleibt. Dankbar müssen die Berliner den Bonnern sein, die mit ihrer Forderung nach mehr fünften Gymnasialklassen wie ein Katalysator wirkten, mit dem der enge Kosmos der Berliner Bildungspolitik aufgebrochen wurde.

Die Verbündeten der Eltern für eine veränderte Schule müssten die Lehrer sein. Eine zeitgemäße Schule ist eine mit großer Eigenverantwortung und einer eigenen Budgetierung. Das würde es den Schulen ermöglichen, eigene Profile und Schwerpunkte zu entwickeln. Ausgebremst aber wird eine größere Selbstverwaltung seit Jahren von der Bürokratie, die um ihren Einfluss fürchtet.

Am Ende des heftigen Streits um mehr fünfte Klassen ist deutlich geworden, dass die sechsjährige Grundschule die Basis des Berliner Schulsystems bleibt. Zwingend aber ist eine umfassende Grundschulreform, die das bisherige Flickwerk ablöst. Vor allem aber muss in den 5. und 6. Klassen das Angebot durch mehr Fachlehrer für Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften verbessert werden. Passiert in der Grundschule nichts, dann ziehen die Eltern weiter in Richtung Gymnasium davon.

Solange der Senat keine wirksame Antwort für Schulen mit hohem Ausländeranteil hat, wird auch dort die Abstimmung mit den Füßen weitergehen. Nicht nur deutsche, auch türkische Eltern melden ihre Kinder in anderen Bezirken an, um ihr Recht auf gleiche Lernchancen zu sichern. Kinder werden überfordert und missbraucht, wenn sie als Minderheit für die sprachliche und soziale Integration ihrer Mitschüler sorgen müssen. Wenn in einer Schule mehr als die Hälfte ausländische Kinder sind, dann ist das Problem nicht mit zusätzlichem Deutsch-Förderunterricht zu lösen.

Eltern, denen seit Jahren Reformen versprochen werden, lassen sich nicht mehr auf Morgen vertrösten, sie müssen jetzt Entscheidungen für die Zukunft ihrer Kinder treffen. Eine Große Koalition ohne Kraft und Mut für eine Reform aber ist kein verläßlicher Partner. Damit die Berliner Schullandschaft zukunftstauglich wird, braucht es deshalb auch künftig den Druck der Eltern.

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