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Berlin: Das neue Tempodrom verschluckt die Musik

Queen Esther Marrow und die Harlem Gospel Singers im Tempodrom: Eine große Stimme, hochbegabte junge Solisten, ein hochkarätiger Chor, eine tolle Band. Das Publikum sieht eine großartige Bühnenshow aus New York - aber richtig hören können es nur die Menschen in den ersten Reihen und auf den höheren Rängen.

Queen Esther Marrow und die Harlem Gospel Singers im Tempodrom: Eine große Stimme, hochbegabte junge Solisten, ein hochkarätiger Chor, eine tolle Band. Das Publikum sieht eine großartige Bühnenshow aus New York - aber richtig hören können es nur die Menschen in den ersten Reihen und auf den höheren Rängen. Der Sound von Band und Chor vermischen sich für die meisten Ohren zu einem dumpfen Klangbrei, nur die weiblichen Solisten und die Tenöre kommen akustisch gut an. Die Sängerin Angelika Mann äußert nach dem Konzert gemischte Gefühle: "Ich bin so gerührt, das ist meine Musik. Aber die Akustik lässt zu wünschen übrig." Und der Berliner Bandleader Reinhard Lakomy ist wegen der Tempodrom-Akustik "ein bisschen konsterniert". Die große Arena des Tempodroms klinge "wie Kirche" - zu vieles werde verschluckt.

Auch Tempodrom-Chefin Irene Moessinger hat "Löcher" gehört, sieht aber für ihr erst im Dezember eröffeten neues Haus kein grundsätzliches akustisches Problem. Schuld am schlechten Sound bei der Premiere der Harlem Gospel-Singers seien Queen Esthers Tournee-Techniker, die eine nicht ausreichende Ausrüstung nach Berlin mitbrachten, sagt Moessinger. Die TSE Licht- und Tontechnik AG, die den Sound im Tempodrom macht, habe "für diese Produktion überhaupt nichts gehängt". Tatsächlich wirkte das Boxen-Arsenal am Dienstagabend spärlich: Auf dem Boden vor der Bühne standen zwei Boxen, darüber hingen noch einmal zwei auf jeder Seite. Wenn seine Firma ein Rock- oder Pop-Konzert ausstatte, seien es mindestens 16 Boxen, sagt Firmen-Vorstand Peter Weinert. Queen Esthers Tour-Produzent Michael Brenner versprach am Premierenabend, zusätzliche Boxen unter das Hallendach zu hängen.

Problem erkannt und gebannt? Irene Moessinger möchte die Akustik in der großen Arena des Tempodroms in den Griff bekommen. "Wir überlegen, langfristig eine optimale Anlage fest einzubauen", sagt sie. Zusätzliche Kosten würde das für ihr Haus nicht verursachen, beteuert Moessinger. Die Baukosten für das neue Tempodrom waren von 30 auf 50 Millionen Mark gestiegen. Jetzt soll erst einmal nichts dazu kommen.

Eine feste elektroakustische Anlage liefern müsste die vom Tempodrom unabhängige TSE. Für die Nutzung zahlen würden die jeweiligen Bands. Allerdings werde es nicht einfach, Bands auf Tournee dazu zu bringen, eine hauseigene Anlage auch zu nutzen. Über eine zusätzliche Investition in die Akustik denkt Moessinger dann aber doch nach: Den jetzt weitgehend verschluckten akustischen Nachhall in der hohen Arena könnten Polster auf den knapp 3000 klappbaren Holzsitzen verbessern. Was das kosten würde, weiß Moessinger noch nicht. Akut sieht die Chefin keinen Handlungsbedarf: Nachdem das Deutsche Symphonie-Orchester unter Kent Nagano am Silvesterabend gespielt habe, seien die Musiker von der Akustik der Arena "begeistert" gewesen. Für Klassikkonzerte werden unter das holzverkleidete Beton-Zeltdach Akustiksegel eingehängt und hinter dem Orchester schallreflektierende Holzwände aufgestellt. Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott bestätigt: "Für ein großes Symphonieorchester ist das ein guter Saal." Und fügt hinzu: "Investitionen werden aber noch nötig sein." Schmidt-Ott schlägt vor, einen elektroakustischen Nachhall einzubauen - auch für Klassikkonzerte.

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