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Berlin: Das Projekt Nähe

Ein Theologe gründete die erste Bürgerstiftung in Neukölln

In einer kleinen Passage, nah der Neuköllner Oper, sitzt Kurt Anschütz in seinem neuen Büro. An der Wand hängt ein Bild aus der Märchensammlung 1001 Nacht. „Sesam öffne Dich“, steht darauf. „Dass hier 163 Nationalitäten leben, darin liegt unsere Chance“, sagt Anschütz. Vor einigen Monaten hat er die „Bürgerstiftung Neukölln“ gegründet. Für diese Initiative erhält er am Mittwoch den Förderpreis 2003 des Vereins „Aktive Bürgerschaft“.

Anschütz, der früher als Pfarrer gearbeitet hat, möchte die Menschen in seinem Bezirk zusammen bringen. Neukölln sei nicht so wie es in den Medien gern dargestellt werde: arm, dreckig und kriminell – ein Schmuddelbezirk. „Ich möchte dieses Klischee aufbrechen. Ich möchte zeigen, dass man hier sehr friedlich zusammen leben kann.“ Seine Stiftung spendet beispielsweise den Preis für den „Neuköllner Globus“, einen GrundschulTheaterwettbewerb. Schüler verschiedener Herkunft spielen da ihren Alltag nach. „Das muss öffentlich werden, die Leute müssen sehen, wie andere ihr Leben reflektieren.“ Anschütz will auch Neuköllner auszeichnen, die sich ehrenamtlich engagieren. „Das motiviert vielleicht auch andere“, sagt er.

Für seine Projekte sammelt Kurt Anschütz gerade Geld und Unterstützer. Wie man das macht, lernte der 53-Jährige auf der „Foundraising-Akademie“ in Frankfurt am Main. „Man brachte uns bei, auf welche Weise man möglichst viele Spender gewinnt.“ Zwölf Neuköllner hat Anschütz schon überzeugen können, mit 500 Euro einzusteigen. Das ist der Mindestbetrag, er kam von Ärzten, Lehrern oder Unternehmern. „Sie alle setzen auf Neukölln“, sagt Anschütz.

Und auch auf die neue Internetseite der Stiftung reagierten die Bürger. „Leute, die sie gesehen haben, meldeten sich bei mir und fragten: ,Was kann ich tun?‘. Die haben nur darauf gewartet“, sagt der gebürtige Badener. Er koordiniert dann die Bereiche, in denen sie arbeiten können – Schülernachhilfe oder das Vorbereiten von kulturellen Begegnungen. Aus seinen fünf Pariser Jahren, in denen Anschütz vor Afrikanern, Franzosen und Chinesen predigte, weiß er, dass sein Projekt funktionieren kann. „Menschen müssen sich begegnen, um ihre Vorurteile zu vergessen.“

Der Preis wird ihm vielleicht helfen, sein Anliegen öffentlich zu machen und Spender zu finden. Trotzdem bleibt Anschütz bescheiden. Er ahnt, dass sich Bürger nur langsam einander annähern. mle

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