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Berlin: Das Publikum feiert seine Mama Caballé

Der Weltstar sang in der Philharmonie

Zum Notenpult muss ihr Begleiter sie führen. Doch einmal angekommen, wird sie selbst der Souverän. Sie bestimmt die Atmosphäre. Alles hört auf sie, auf Montserrat Caballé. Die Wandlung von der Geführten zur Führenden ist am Montag, als die weltberühmte Sopranistin in der Philharmonie gastiert, ein Grundmuster. Ihr erster Einsatz ist unsicher. Hält sie dem Gewicht der Erwartungen nicht stand? Immerhin steht sie für vier Jahrzehnte Gesangsgeschichte, und ihre Fans lauern im vollbesetzten Saal auf Nostalgie. Aber die Grand Dame lässt sich nicht vereinnahmen. Nicht die italienischen Belcanto-Arien, die sie berühmt gemacht haben, stehen auf ihrem Programmzettel, sondern vor allem Lieder von Charles Gounod und unbekannten andalusischen Komponisten. Spielend macht sie aus einem Abstützen eine Liebkosung des Flügels und aus der Gemächlichkeit einer in die Jahre gekommenen Stimme ein melancholisches Wissen. In Gounods Arie „Nuit Resplendissante“ legt sie eine mutig subjektive Interpretation über die geradlinige Begleitung von Manuel Burgueras, und die Stücke aus der Heimat entlocken der Spanierin im roten Kleid mit schwarzen Rosen sogar ein niedliches „Ay“.

Alterswürde, Erinnerung und Sentimentalität. Die Caballé produziert mütterliche Wärme. Wer will ihr da kleine Ungenauigkeiten, ein wenig Behäbigkeit verdenken. Schließlich wirkt sie nicht wie eine, die den Abschied von der Bühne nicht geschafft hat, sondern wie eine, die ihn nie wollte. Montserrat Caballé hat noch immer Spaß. Als sie bei den Zugaben ihren Schuh verliert, übernimmt sie erneut die Führung. „Ich mache eine Diät, da sitzt alles sehr locker.“ Lange scherzt sie in reinstem Deutsch mit den Zuhörern und stiftet ein Gefühl von Gemeinschaft. Mit stehenden Ovationen feiert das Publikum seine Mama Caballé.

Paul Bräuer

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