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Berlin: Das Rathaus wird versetzt

Mit Presslufthammer gegen mittelalterliche Mauern an Wowereits Dienstsitz.

Das Berliner Rathaus wird abgerissen – genauer: Grundmauern des im gotischen Stile errichteten Vorgängerbaus vom Roten Rathaus. „Uns befremdet dieser Umgang mit kulturhistorisch wertvoller Substanz sehr“, heißt es beim „Bürgerforum Historische Mitte“, einem Bündnis zur Erhaltung zeitgeschichtlich bedeutsamer Bauwerke. Doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt Entwarnung: Die „Altfundamente“ würden nur um fünf Meter versetzt und später an ihrem Ursprungsort wiederaufgebaut.

Die Operation erinnert ein wenig an die Versetzung des Kaisersaals am Potsdamer Platz während der Arbeiten zum Bau des Sony-Centers in den 90er Jahren. Auch wenn der Vergleich insoweit hinkt, als von dem Gotischen Rathaus nur noch Grundmauern erhalten sind, die zudem nur zeitweise versetzt werden. Auch gehen die Arbeiter vor Wowereits Dienstsitz nicht gerade zimperlich ans Werk: Sie setzen Presslufthammer an das Bodendenkmal an. Und das alarmierte die Stadthistoriker, die eine klammheimliche Entsorgung des Gemäuers vermutet hatten.

Doch laut Senatsbauverwaltung ist das Landesdenkmalamt höchstselbst mit den Arbeiten betraut. Das bestätigt auch die BVG, die just hier eigentlich den Bahnhof „Berliner Rathaus“ für die Linie U5 errichten will. Das alte Rathaus wurde um 1270 errichtet und stand bis zur Eröffnung des Roten Rathauses in den 1860er Jahren mitten in dem einst hier bestehenden, pulsierenden historischen Zentrum Berlins. Das damalige Marienviertel wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Statt einer Rekonstruktion des Quartiers wurde zu DDR-Zeiten großflächig abgerissen und das Rathaus-Forum angelegt, mit vielen Freiflächen rund um Fernsehturm und der heute einsam stehen gebliebenen Marienkirche. Während der Grabungen am Rathaus entdeckten die Archäologen auch 16 Skulpturen der klassischen Moderne. Diese galten zuvor als verschollen, waren aber nur in einem der zahlreichen Bürgerhäuser des Marienviertels gelagert worden. Die Skulpturen waren Teil der Wanderausstellung „entartete Kunst“, mit der die Nazis moderne Werke verfemen wollten. ball

Mehr dazu lesen Sie auf den Tagesspiegel-Seiten „Mehr Berlin“ am Sonnabend.

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