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Berlin: Das Schicksal der verlorenen Kinder

Allein in Berlin sind rund 230 Fälle vermisster Minderjähriger ungeklärt. Am heutigen Aktionstag wird an sie erinnert

Wenn das eigene Kind verschwindet, ist es die Ungewissheit, die die Eltern am meisten quält: Wo ist mein Kind? Ist es weggelaufen, wurde es entführt und versteckt oder gar missbraucht und getötet? Am heutigen „Tag der vermissten Kinder“ erinnert die Initiative „Vermisste Kinder“ unterstützt vom Opferschutzverein „Weißer Ring“ in mehreren deutschen Großstädten an das Schicksal der betroffenen Familien.

Auch in Berlin wird es heute einen Aktionstag geben. Mitarbeiter der Initiative sowie Eltern treffen sich um 15 Uhr am Hackeschen Markt in Mitte. An Informationsständen informieren sie über die Vermissten-Fälle und vermitteln Kontakte zu Behörden sowie Hilfe und Beistand an betroffene Eltern. Zudem lassen die Organisatoren symbolisch 100 Luftballons mit jeweils einem Foto eines verschwundenen Kindes aufsteigen. Jährlich werden in Deutschland rund 50 000 Kinder bei der Polizei als vermisst gemeldet. In Berlin waren im Jahr 2006 laut Polizeistatistik insgesamt 1129 Kinder und 2747 Jugendliche. Doch ein Großteil von ihnen findet sich glücklicherweise innerhalb weniger Stunden oder Tage wieder ein. „Manche reißen nach einem Streit mit den Eltern aus oder weil sie sich verliebt haben, oder auch nur, um während der Pubertät gegen den Vater oder die Mutter zu rebellieren“, sagt ein Polizeibeamter. Doch rund 230 Fälle der vergangenen 30 Jahre aus Berlin blieben laut Polizei bis heute ungeklärt. Die Familien dieser Kinder müssen ein Leben lang mit der quälenden Ungewissheit leben.

So wie die Angehörigen der 15-jährigen Georgine Krüger aus Moabit. Inzwischen ist das Mädchen seit einem Jahr und acht Monaten spurlos verschwunden. Die Gymnasiastin war am 25. September 2006 mit dem Bus M27 von der Schule nach Hause gefahren und an der Ecke Perleberger und Stendaler Straße ausgestiegen. So haben es Zeugen der Polizei berichtet. Nur 200 Meter waren es bis zur Wohnungstür, doch auf diesen wenigen Metern verliert sich die Spur des Mädchens. „Es gibt keine neuen Erkenntnisse“, hieß es gestern bei der Polizei. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen Opfer eines Verbrechens geworden ist.

Georgines Familie – ihre Mutter, Großmutter und die jüngere Schwester – wohnen mittlerweile nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung in der Stendaler Straße. „Die sind vor ein paar Monaten weggezogen“, sagte gestern eine Nachbarin. Doch die Polizei ermittele weiterhin in dem Fall und stehe mit den Angehörigen in Kontakt, sagte ein Polizeisprecher.

Auch bei zwei weiteren vermissten Kindern aus Berlin gibt es kaum noch Hoffnung auf ein glückliches Ende: Sandra Wißmann aus Kreuzberg ist seit dem 28. November 2000 verschwunden. Die damals Zwölfjährige hatte sich an jenem Nachmittag von ihrer Mutter verabschiedet, um für sie ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen. Manuel Schadwald war ebenfalls zwölf Jahre, als er am 24. Juli 1993 die Wohnung in Tempelhof verließ, um mit der BVG zum Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide zu fahren. Er kam dort nie an und ist bis heute verschwunden. Tanja Buntrock

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