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Hanke orndete aauch das Quartier am Schillerpark neu zu.

© Thilo Rückeis

Das Schnittmuster der SPD: Streit um die Wahlkreise in Berlin-Mitte

Die Grünen werfen dem Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD) vor, mit einer Neuordnung der Wahlkreise die Genossen zu bevorzugen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Bezirk Mitte wächst so stark, dass ihm bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 ein siebter Wahlkreis zusteht. Bisher waren es sechs. Das führt dazu, dass die Wahlkreise in der historischen Stadtmitte, in Wedding und Tiergarten neu zugeschnitten werden. Eine statistisch und rechtlich kniffelige Angelegenheit, die auch Spielraum lässt für parteipolitische Winkelzüge zugunsten oder zulasten der Kandidaten, die in den Wahlkreisen direkt gewählt werden. Im Bezirksamt Mitte wird der Konflikt um den optimalen Zuschnitt jetzt offen ausgetragen.

Obwohl es zunächst nicht danach aussah. Vor zwei Wochen hatte der fachlich zuständige Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne) einen Vorschlag für die Neuordnung der Wahlkreise vorgelegt, der vom bezirklichen Wahlamt erarbeitet wurde. Eine neutrale Instanz, die sich am Wahljahr 2001 orientierte, als Mitte schon einmal sieben Wahlkreise besaß. Und an der gesetzlichen Vorgabe, dass die einzelnen Stimmbezirke (Wahllokale) ungefähr gleich groß sein sollen, geringe Schwankungsbreiten sind erlaubt.

Die Vorlage wurde aber noch nicht beschlossen. Und weil von Dassel aus familiären Gründen an der nächsten Sitzung am 14. Juli nicht teilnehmen konnte, bat er, das Thema um eine Woche zu verschieben. Doch Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) brachte am Dienstag ein eigenes Schnittmuster für die Wahlkreise ein, das vom Vorschlag von Dassels deutlich abweicht. So ordnete Hanke etwa den Brüsseler Kiez und das Quartier am Schillerpark neu zu. Und zwar so, dass die Grünen als stärkster politischer Gegner der SPD in Mitte ins Grübeln gerieten. Marc Urbatsch, der Grünen-Fraktionschef in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, findet es „erstaunlich, dass Bürgermeister Hanke die Neuordnung der Wahlkreise offenbar politisieren will“ und den Kurzurlaub des zuständigen Stadtrats offenbar dafür ausgenutzt habe. Die Grünen glauben, dass vor allem der Wahlkreis 4 (der von Moabit bis weit in den Wedding hineinreicht), um sozialdemokratische Wählerschichten bereichert werden soll. Bei der Wahl 2011 gelang es im alten Wahlkreis 4 dem SPD-Kandidaten Ilkin Özisik nur mit knapper Not, das Direktmandat zu erringen – mit 77 Stimmen Vorsprung vor den Grünen.

Aber auch der Wahlkreis 1 (der nördliche Teil der Stadtmitte und südlich vom Humboldthain), den die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop 2011 mit 684 Stimmen vor der SPD gewann, wird durch den Vorschlag Hankes angeblich zugunsten der Sozialdemokraten leicht verändert. Der Bezirksbürgermeister war am Mittwoch telefonisch nicht zu erreichen. „Außentermine, den ganzen Tag“, sagte seine Sekretärin. Das bezirkliche Amt für Bürgerdienste wurde von Hanke angewiesen, aus seinem Vorschlag bis Dienstag, wenn das Bezirksamt erneut tagt, eine beschlussfähige Vorlage zu erarbeiten. Der Grünen-Stadtrat von Dassel ist dann wieder anwesend.

Im Bezirk Mitte arbeitet die SPD mit der Union zusammen. Die Mehrheit für Hankes Wahlkreisreform wäre also gesichert, wenn die Christdemokraten mitmachen, die selber keine Chance auf ein Direktmandat in Mitte haben. Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) zeigte sich am Mittwoch an einer „zeitnahen Klärung“ interessiert. Falls es wirklich einen Grundkonflikt zwischen SPD und Grünen um die Neuordnung der Wahlkreise geben sollte, werde sich daran später auch nichts mehr ändern. Das gelte auch für die Mehrheiten im Bezirksamt.

Spallek hält den Konflikt „für aufgebauscht“. In Berlin, erst recht in Mitte, finde zwischen den Abgeordnetenhauswahlen ein gewaltiger Austausch der Bevölkerung statt. „Niemand ist in der Lage, die Wahlkreisergebnisse 2016 vorherzusagen.“ Wie auch immer: Unter Zeitdruck steht das Bezirksamt nicht. Der Senat hat auf Grundlage der Bevölkerungsstatistik festgelegt, dass Mitte und Neukölln einen zusätzlichen Wahlkreis erhalten und Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof Schöneberg einen verlieren. Bis zum 27. September haben diese Bezirke Zeit, ihre Wahlkreise neu zuzuschneiden. Ulrich Zawatka-Gerlach

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