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Berlin: Das Sommerloch vom Prenzlauer Berg

Umfangreiche Bauarbeiten am U-Bahnhof Eberswalder Straße stören Anwohner und Händler

Presslufthammer bohren sich stoßweise in den Asphalt. Bulldozer schaufeln den Schutt zur Seite. Bagger verladen die Haufen auf Anhänger. Wenige Meter weiter dampft frischer Teer. Rund um den U-Bahnhof Eberswalder Straße wird seit Montag massiv gebaut: Die Gleise der Straßenbahn werden neu verlegt, Wasserleitungen werden erneuert, und der Viadukt des U-Bahnhofs wird von außen saniert.

Doch viel Verständnis für die Bauarbeiten in den Sommerferien haben Anwohner und Händler nicht. „Hier wurde in den vergangenen 15 Jahren immer wieder gebuddelt“, beschwert sich Ulrich Brehmer, Besitzer des Spirituosen- und Tabakwarenladens direkt am Anfang der Kastanienallee. Brehmer schließt erst mal die Tür, damit man ihn verstehen kann. Seit Wochenbeginn habe er durch die Bauarbeiten die Hälfte seiner Kunden verloren, sagt der Mittfünfziger, „das ist eine mittlere Katastrophe“. Auch die potenziellen Kunden unter den Bauarbeitern hätten noch keinen einzigen Lottoschein ausgefüllt. „Durch die geschlossene Tür denken die Leute, dass ich nicht offen habe“, klagt Brehmer.

„Das Haus stürzt ein, dachte ich in den vergangenen Tagen immer wieder“, berichtet Anne Schmuhl, die im Haus des Tabakladens wohnt. Doch die 29-Jährige hat durch die Baustelle nicht nur Schlafprobleme. Als selbstständige Modedesignerin arbeitet sie zu Hause in ihrem Büro. Sie arbeitet gerade unter Hochdruck an einem Katalog, also hat sie am Dienstag ihren Computer vom Büro der Straßenseite in die Küche gestellt, die zum Hof zeigt. Die Großbaustelle macht ihr „richtig schlechte Laune“.

Auch Mustafa Kul, dem Betreiber eines Obst- und Gemüseladens, macht die Baustelle Probleme. Direkt vor seinem Geschäft wird die Fahrbahn aufgerissen. „Keiner kauft Himbeeren bei diesem Staub“, klagt er. Die Tram-Haltestelle vor seinem Laden ist stillgelegt. Das elektronische Informationssystem der BVG weist mit Leuchtdioden darauf hin, dass „die Haltestelle nicht bedient“ wird. „Die Abfahrt der Straßenbahn erfolgt in Höhe Prater (60 m Fußweg)“, heißt es auf der Anzeige. Die Umsatzeinbußen sind bei Obsthändler Kul „immens“. Auch der Zitty-Verkäufer Axel Elbershausen hatte vor zwei Wochen mehr zu tun. Doch sehen manche durchaus auch Vorteile im geringeren Passantenstrom. „Heute war es bei der Wurstbude Konopke besonders leer“, meint Holger Netz, der in der Nähe wohnt und durch Urlaub ganz entspannt ist.

Weniger zu klagen hat auch ein eigens postierter Mitarbeiter der BVG: „Die Autofahrer sehen das gelassen; trotz der vielen einspurigen Umfahrungen gibt es kaum Stau.“ Unter dem Viadukt der U-Bahn wird die von Norden kommende Schönhauser Allee ein Stück auf die Gegenfahrbahn geleitet. Viele Fahrer wollen danach in die Kastanienallee einbiegen, was verboten ist. „Hier fehlen Einbahnstraßenschilder“, sagt der BVG-Mitarbeiter. Nur noch am heutigen Mittwoch stehen zwei BVG-Mitarbeiter bis 22 Uhr hier und informieren orientierungsbedürftige Menschen. Menschen wie die 64-jährige Martina Schulz, die den Anschluss ihrer Tram sucht und noch nichts von den Baustellen gehört hatte.

Auch in der Pappelallee, die nur noch einspurig befahrbar ist, dröhnen Baumaschinen wegen der neu zu verlegenden Straßenbahngleise. Der freischaffende Architekt Paul-Robert Horn meditiert wochentags in seiner Mittagspause im Friedhofspark Pappelallee, dem ehemaligen Friedhof der freireligiösen Gemeinde. Doch heute gibt er auf: „Das ist mir hier zu laut.“

Alexander Schäfer

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