zum Hauptinhalt

Berlin: Das Sozialamt schickt seine Prüfer jetzt öfter

Senatsoffensive gegen Missbrauch soll Millionenschäden verhindern

Ab 1. Januar müssen Berlins Sozialhilfeempfänger verstärkt mit Kontrollen rechnen. Das hat der Senat am Dienstag beschlossen. In Berlin gibt es 140000 Haushalte, die von Sozialhilfe leben. Die Kontrolleure sollen die tatsächliche Bedürftigkeit von Menschen prüfen, die Geld- oder Sachleistungen beim Sozialamt beantragt haben. Wenn sie die Anträge nicht für gerechtfertigt halten, werden sie abgelehnt, die Bezirke sparen dadurch Ausgaben in Millionenhöhe.

Die sozialen Prüfdienste sind Aufgabe der Bezirke. Die Sozial- oder Wirtschaftsstadträte haben bisher nach eigenem Gutdünken entschieden, wie viele Kontrolleure im Bezirk eingesetzt werden. So sind in Reinickendorf momentan acht Prüfer in 6800 Haushalten unterwegs. So viele wie in Neukölln, allerdings gibt es dort 18 500 Sozialhilfehaushalte. Durch die aufgedeckten Missbrauchsfälle wurden 2002 in Neukölln 200000 Euro eingespart, in Charlottenburg waren es über zwei Millionen Euro. Insgesamt gibt es in den zwölf Bezirken derzeit 60 Kontrolleure, künftig werden es 93 sein. Die zusätzlichen Kontrollen sollen Angestellte des öffentlichen Dienstes durchführen, die sich im Moment im so genannten Personal-Überhang befinden und umgeschult werden.

Um den Einsatz der Kontrolleure zu vereinheitlichen, hat Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) gestern eine Vorschrift erlassen, die die Zahl der Kontrolleure pro Haushalt und die Kriterien ihrer Arbeit verbindlich für alle Bezirke regelt. „Wir wollen den Vorwurf entkräften, man könne in einem Bezirk mehr Missbrauch treiben als in einem anderen“, sagte Roswitha Steinbrenner, die Sprecherin der Sozialsenatorin. Von der Vorschrift verspricht man sich außerdem Klarheit, wie viel Geld wo gespart wird. Die Vorschrift regelt zudem, dass die Kontrollbesuche unangemeldet stattfinden können. Von jährlichen Kontrollen aller Hilfeempfänger, wie sie der Entwurf der Vorschrift vorsah, hat man auf Wunsch der meisten Sozialstadträte Abstand genommen.

Die sind nun grundsätzlich mit der neuen Vorschrift einverstanden, sehen aber große Probleme bei der Umsetzung. In Neukölln, wo sechs weitere Kontrolleure eingestellt werden müssen, weiß man nicht, wie man die neuen Mitarbeiter finanzieren soll. Wirtschaftsstadtrat Bernhard Skrodzki (FDP) aus Charlottenburg muss künftig zehn statt sechs Prüfer bezahlen. „Wer so eine Vorschrift erlässt, muss auch sagen, wie sie bezahlt werden soll.“ Das aber ist noch unklar. Seine Kollegin Martina Schmiedhofer (Bündnis90/ Grüne), die fürs Soziale zuständig ist, hält die neuen Kontrolleure für eine bloße „Chimäre“. Sie suche seit Monaten vergeblich nach Sachbearbeitern fürs Sozialamt und stelle fest, dass im Sozialamt niemand arbeiten wolle, schon gar nicht als Kontrolleur.

Birgit Bialkowski (SPD), die Sozialstadträtin von Spandau, würde überhaupt lieber fünf neue Sachbearbeiter im Sozialamt einstellen als im Prüfdienst. Schon jetzt kämen die Sachbearbeiter nicht nach, die Anträge der Hilfeempfänger zu bearbeiten. Das aber sei die Voraussetzung, um Kontrolleure loszuschicken. Sozialstadtrat Frank Balzer (CDU) in Reinickendorf ist einer der wenigen, für die sich durch die neue Vorschrift nichts ändert. Schon jetzt wird in seinem Bezirk überproportional viel kontrolliert. 800000 Euro hat er 2002 dadurch gespart. Mehr sei nicht zu bewältigen. Balzer ist der einzige Stadtrat, der Menschen schon kontrolliert, wenn sie nur einen Antrag auf Sozialhilfe stellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false