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Berlin: Das Volk macht es spannend

Fast die Hälfte der Wahlberechtigten war bis zuletzt unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben soll. Politiker appellieren vor der heutigen Entscheidung an die Berliner: Auf alle Fälle wählen gehen

Heute ist der Tag der Entscheidung, den ersten Rekord gab es aber schon gestern zu verkünden: Rund 15 Prozent der Berliner haben in diesem Jahr Briefwahlanträge gestellt – so viele wie noch nie. 318 820 Wahlscheine hatten die Bezirksämter 2001 ausgestellt, diesmal waren es 382 319. Der Rest der insgesamt 2,4 Millionen wahlberechtigten Berliner ist an diesem Sonntag aufgerufen, ein neues Abgeordnetenhaus zu bestimmen. 23 Parteien werben um ihre Stimmen. Gewählt werden außerdem die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen. Hier dürfen zum ersten Mal auch Jugendliche ab 16 ihr Kreuz machen.

Das Volk scheint es dieses Mal für die Politiker besonders spannend zu machen. Denn noch in den letzten Tagen gab fast die Hälfte aller befragten Berliner an, dass sie sich noch nicht entschieden hätte, ob oder wen sie wählen sollten. Der Landeswahlleiter rechnet mit einer ähnlichen Beteiligung wie im Jahr 2001. Damals betrug sie 68,1 Prozent. Andere Meinungsforscher erwarten eine deutlich niedrigere Beteiligung, da das Ergebnis in den Augen vieler Wähler bereits festzustehen scheint: Der Sieg der SPD ist in ihren Augen gewiss. Wenige zweifeln daran, dass es weiterhin unter der Führung von Klaus Wowereit eine Koalition linker Parteien geben wird.

Die hohe Zahl der Unentschlossenen bereitet vielen Politikern der bürgerlichen Parteien Bauchschmerzen – nicht nur um ihrer selbst willen. Denn nach gängiger Erfahrung können extreme Parteien von einer niedrigeren Beteiligung profitieren. Einer der Gründe ist, dass protestbereite Wahlberechtigte eher zur Wahl gehen. Zum anderen lassen sich Anhänger von extremen Parteien leichter mobilisieren. Bei insgesamt geringer Beteiligung haben dann ihre Stimmen auch rechnerisch größeres Gewicht.

Schon deshalb rief der Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) die Berliner auf, wählen zu gehen. „Wer nicht wählen geht, muss wissen, dass er die Rechtsextremen stärker macht“, sagte er. Auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hatte die Berliner aufgefordert, von ihrem Wahlrecht „nachhaltig“ Gebrauch zu machen. Es gebe eine „wirkliche Wahlmöglichkeit“ – sowohl im Bezug auf die Personen als auch auf die politischen Richtungen, sagte der ehemalige Regierende Bürgermeister dem Tagesspiegel. Für jeden gelte es deshalb, aktiv zu werden und die eigene Chance der Mitgestaltung zu nutzen,

Für Thomas Hölzler (46) aus Wilmersdorf ist es völlig klar, dass er wählen geht. Schließlich sieht er sich als demokratischer Bürger. Entschieden hat er sich bereits, welchem Kandidaten er seine Stimme gibt. „Wer nicht wählen geht, der darf hinterher auch nicht meckern“, sagt Hölzler. Pascal Scholz (35), Buchhalter aus Friedrichshain, will „auf keinen Fall, dass rechte Parteien einen Platz erhalten“. Er wird heute erst einmal gemütlich mit Freunden frühstücken, anschließend gehen alle in ihrem Bezirk ins Wahllokal. „Schon allein mein Gewissen sagt mir, dass ich wählen gehen muss“, meint Scholz.

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