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Flughafen-Satire: Das wird schon

September 2016: Zehn Jahre nach dem ersten Spatenstich geht der neue Flughafen in Betrieb. Gesamtkosten: 7,5 Milliarden Euro. Wir schauen staunend in die Zukunft.

Die Sonne brennt spätsommerlich heiß auf die Landebahn des neuen Berlin-Brandenburger Flughafens, als am 5. September 2016 mittags um 12 Uhr die erste offizielle Maschine, ein Easyjet-Airbus aus Düsseldorf-Weeze, landet. Pünktlich genau zehn Jahre nach dem ersten Spatenstich ist es der krisenerprobten Mannschaft des langjährigen Flughafenchefs Rainer Schwarz gelungen, die Betriebsgenehmigung zu erhalten. Sie gilt allerdings bislang nur zwischen Sonnenauf- und -untergang, weil der Vorschlag, die noch nicht funktionierende Landebahnbeleuchtung durch die Scheinwerfer der Fahrzeuge der Feuerwehr zu ersetzen, vom Luftfahrtbundesamt als zu gefährlich abgelehnt wurde.

Zur Begrüßung der Fluggäste hat sich ein seltsames Paar eingefunden: Matthias Platzeck (SPD), nach wie vor Hausherr als Ministerpräsident, und Berlins Regierender Bürgermeister Gerwald Claus-Brunner (Piraten) halten knappe Reden auf den neuen Airport. Während Platzeck von einem großen, sehr lang ersehnten Tag für die Region spricht, teilt Claus-Brunner lediglich mit, seine Rede sei noch im Abstimmungsprozess der liquid democracy und werde später bei Facebook veröffentlicht; ihm persönlich sei der Termin „eher wurscht“.

Die Feier soll auf Wunsch aller Beteiligten kleingehalten werden. Dennoch erregt es Aufsehen, dass der Kreis der Geladenen mit Currywurst, Pommes und Bier versorgt wird. Der Grund: Rund vier Jahre nach der eigentlich geplanten Eröffnung hat sich kein Gastronomiebetrieb mehr bereit gefunden, ins Risiko zu gehen, ausgenommen „Curry 36“ aus Berlin und „Uschi’s Pilsstübchen“ aus Königs Wusterhausen. Schwarz teilt aber mit, man führe mit McDonald’s erfolgversprechende Verhandlungen, damit für jeden Fluggastgeschmack etwas dabei sei.

Wo es am Flughafen noch bröckelt sehen Sie hier:

Noch offen ist, wie der neue Airport heißen wird, nachdem die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung 2015 den Namen Brandts an den Flughafen Leipzig vergeben hat. Die Berliner Senatskoalition von Piraten und Grünen kann sich seit Monaten nicht auf einen Vorschlag einigen: Zur Wahl stehen Petra Kelly (Grüne) und Steve Jobs (Piraten). Wenn es nach ihm gehe, könne der Flughafen eine Jobs-Maschine werden, scherzt Claus-Brunner.

Erst nach Beginn der Feier fällt auf, dass weder Bundeskanzlerin Merkel noch der neue Lufthansa-Chef Hartmut Mehdorn erschienen sind. Beide sitzen zu diesem Zeitpunkt noch im Zug unter dem Flughafen, weil dort eine Bahnsteigaufsicht einen Entrauchungsschacht vorschriftswidrig geöffnet und einen Großalarm ausgelöst hat. Als sie endlich auftauchen, ist das Bier schal und Mehdorn teilt mit, er werde sich jetzt einen A380 kommen lassen und damit „möglichst weit weg“ fliegen. „Warten Sie noch ein paar Jahre“, erwidert Klaus Wowereit, der Präsident des Gründungskomitees für den Flughafen Sperenberg International, „dann landen Sie einfach bei uns.“

Wenig später kommt es zu einem Zwischenfall, als die Passagiere des Jungfernflugs nicht zum ihrem Gepäckband gelangen, sondern vom automatischen Türsystem in den Abflugbereich eines Flugs nach Katar geleitet werden und dort für zwei Stunden eingeschlossen sind. Offiziell ist von einer unwesentlichen Störung die Rede, aber hinter vorgehaltener Hand sagen Offizielle, die Ursache sei ein Hacker-Angriff; es handele sich um das Störmanöver einer Firma, die nach fünf Jahren erfolgloser Arbeit gefeuert worden sei und nun um die Bezahlung kämpfe. Die geschätzten Gesamtkosten für BER sind unterdessen auf offiziell bestätigte 7,5 Milliarden Euro gestiegen.

Pannen-Airports international in Bildern:

Wowereit spielt mit seinem Hinweis auf Sperenberg darauf an, dass sich die Kapazität der Berliner Flughäfen trotz Weiterbetrieb Tegels und Reaktivierung Tempelhofs an der Grenze des Erträglichen bewegt. Sperenberg gilt nun als Wunschstandort für einen neuen Flughafen, nachdem in Schönefeld trotz des Baus von inzwischen zwölf Erweiterungspavillons keine Flächen mehr verfügbar sind.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister teilt mit, die Verhandlungen über eine Transrapid-Verbindung zwischen Sperenberg und dem ebenfalls überlasteten Flughafen Warschau stünden kurz vor dem Abschluss. „Wenn Sie vom Flug ... vom ... von Warschau starten, also Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, fahren Sie mit dem Transrapid in drei Stunden an den Flughafen in ... an den Flughafen Willy, äh, na egal, dann starten Sie praktisch hier am Terminal in Sperenberg“, sagt er.

Der 5. September 2016 ist auch deshalb ein besonderer Tag, weil es der erste nicht mehr bekannt gegebene Eröffnungstermin ist. Seit der peinlichen Pleite vom Mai 2012 waren jährlich je zwei als endgültig genannte Termine verstrichen, ohne dass es tatsächlich zur Eröffnung kam. Schließlich hatte Platzeck erklärt, dass man „nichts mehr sagen, sondern einfach aufmachen“ werde. Dennoch hatten zahlreiche Pressevertreter vorab Wind von dem Termin bekommen.

Am 6. September wird der Flugbetrieb in BER wieder eingestellt. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt der Klage eines Anwohners statt, der sich durch die mehrfach abknickenden Flugrouten in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gehindert sieht. „Mein Reden“, twittert Gerwald Claus-Brunner. Matthias Platzeck tritt zurück und fliegt von Tegel per Last-Minute-Buchung in einen mehrmonatigen Erholungsurlaub.

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