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Hallo, ihr! Mosambikaner lieben Kinder.

© Annette Kögel

Das Wunder von Mosambik: Kampf gegen Aids: Berliner Spender helfen - eine Recherchereise

Auch Spender aus Berlin und Brandenburg machen es möglich: Dank des "Dream"-Programms der kirchlichen Helfer von Sant’ Egidio und der Deutschen Aids-Stiftung können HIV-erkrankte Schwangere gesunde Babys bekommen.

Die Menschen in Mosambik trauten ihren Augen nicht. Das kann doch nicht wahr sein, das ist doch ...? Ana Maria Muhai! Die Totgeglaubte war auferstanden. Dabei wog die Frau nur noch 29 Kilogramm, alle hatten sie gemieden und keiner wollte mehr an ihrem Straßenstand traditionelle Getränke kaufen, aus Angst vor Ansteckung mit HIV. Und nun schien sie wie durch ein Wunder die Alte zu sein.

Das Wunder hat einen Namen. Es heißt antiretrovirale Medikamententherapie, es heißt auch Deutsche Aids-Stiftung und es heißt Sant’ Egidio. Das ist eine aus Italien kommende, schon im mosambikanischen Bürgerkrieg bei den Friedensverhandlungen engagierte katholische Laiengemeinschaft, die es auch in Berlin gibt. Gemeinsam retten sie Leben, dank vieler Spenden, die auch aus der Hauptstadtregion kommen.

Mut für viele Patienten

Ana Maria hat beim „Dream“-Programm von Deutscher Aids- Stiftung und Sant’ Egidio als Aktivistin und Vorbild vielen HIV-Patientinnen Mut gemacht, auch ihre Männer miteinzubeziehen. Die Aids-Stiftung fördert „Dream“ seit zehn Jahren und hat bis Ende 2014 bereits 2,3 Millionen Euro für Mosambik gegeben.

Die Welt funktioniert nur noch global, und wenn in Afrika ein Mensch vor dem Tod durch HI-Viren beschützt wird, dann haben weltweit alle etwas davon. Warum das so ist und wie es gelingt, dass einst schwerstkranke Aids-Erkrankte sogar HIV-negative Kinder bekommen können, zeigte die Deutsche Aids-Stiftung dem Tagesspiegel als Medienpartner ihrer jährlichen Benefiz-Operngala und unterstützte eine Recherchereise.

Willkommen, Maputo

Bem-Vindo, Maputo. 10 000 Kilometer Luftlinie enfernt von Berlin. Über Johannesburg geht es in die Hauptstadt. Eine Million Einwohner. Portugiesische Villen und Armenhütten, SUVs und Eselskarren, Jachten und Dau-Segelboote, all das gibt es. Auf holprigen Gehwegen wird mit Kleidung, Essen, Schuhen gehandelt. So viele junge Leute und Kinder!

Die Frauen tragen vieles auf dem Kopf. Sie tragen überhaupt eine Menge. Die Verantwortung für die Familie, die Kinder, oft sogar für den Mann. Viele Mosambikaner verdienen in Südafrika als Minenarbeiter Geld – und bringen Tödliches mit nach Hause: das HI-Virus.

Sie geben es weiter. Bei manchen Familien gehört es dazu, dass ein Mann mit mehreren Frauen schläft. Das ist nicht Fremdgehen aus Europäersicht. Vielmehr fühlten sich sogar einige Frauen, die Besuch von mehreren Männern hatten, besser abgesichert. Bis Aids kam.

Mehr als 15 Millionen Kinder in Afrika haben Mutter, Vater oder beide nach einer Aids-Erkrankung verloren. In Berlin trifft Aids vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. In den Ländern der Subsahara sind mehr als 50 Prozent der HIV-Infizierten Frauen.

In Hoffnung dicht gedrängt

Ins Taxi setzen, Dieter Wenderlein von Sant’ Egidio übersetzt. Der gelernte Apotheker ist oft im einst von portugiesischen Kolonialherren unterdrückten Land. Schulbildung hatten sie den Einheimischen untersagt. Überall sind knallrote und grüne Botschaften der neuen Mächte zu sehen. Wer seine Hütte mit Werbung von Getränke- und Mobilfunkkonzernen anmalt, kann sich etwas dazuverdienen.

Manche Menschen sind so arm, sie können sich kaum das Sammeltaxi zum Gesundheitszentrum in Matola leisten. Doch nur regelmäßige Medikamenteneinnahme wirkt, weiß auch Projektärztin Dr. Elsa Motemba. Sie führt durch eine staatliche Mutter-Kind-Gesundheitsstation. Bitte nicht fotografieren. So viele Menschen, die alle schwer krank sind. Malaria, Tuberkulose, Aids, Hepatitis, Syphilis, Parasiteninfektionen.

Alle warten eng an eng, geduldig. Aber was können die Schwestern und Ärzte schon machen? Die Zimmer sind weiß gestrichen, aber eine Ausstattung, wie es sie in Europa gibt, fehlt.

Mütter fühlen sich schuldig

Im Jahr 2013 waren laut dem UNAIDS- Programm der Vereinten Nationen weltweit 35 Millionen Menschen HIV-positiv. 25 Millionen davon leben in Afrika südlich der Sahara. Das sind die Statistiken. Hier, in Matola II, wo „Dream“ mit dem staatlichen Mutter-Kind-Zentrum kooperiert, sitzen die Menschen zu den Zahlen.

Es sind meist Schwangere und junge Mütter. Sie stillen im Schatten, beobachten die Besucher mit einer Mischung aus Neugier, Freundlichkeit, Scham und Unsicherheit. Ein einziger Mann ist da, er hält seine Freundin fest im Arm. Katrin Haub, Kuratoriumsmitglied der Aids-Stiftung, freut sich.

Aktivistinnen vom "Dream" in der Gesundheitsstation Matola 2, Maputo, betreuen die wartenden Frauen.
Aktivistinnen vom "Dream" in der Gesundheitsstation Matola 2, Maputo, betreuen die wartenden Frauen.

© Annette Kögel

„Vor drei Jahren war hier nichts.“ Unter anderem ihre Spenden machten den Bau möglich, der Mitte 2014 eröffnete. Bei runden Geburtstagen und zu anderen Gelegenheiten wünscht Haub sich Spenden für „Dream“ statt Geschenke. Damit können auch die für die Therapie wichtigen Nahrungsmittelhilfen für Mangelernährte bezahlt werden und die Speisung der Kinder in den Ernährungsstationen. Diese sitzen artig und still am Tisch, keiner spielt am Handy – so etwas besitzen sie nicht.

„Mehr als 98 Prozent der Kinder werden gesund geboren“

Bei „Dream“ wird für viele ein Traum wahr. Allein Matola II hat bereits 2600 Patientinnen, sie warten wegen Andrangs geduldig, oft stundenlang. Es gibt rund ein Dutzend Schwestern und medizinisches Personal sowie zwei Ärzte, wie Dr. Ines Zimba, die Direktorin des „Dream“-Programms für Mosambik.

Ihr Lachen gibt Kraft. Sie erzählt, wie es dank der Kombinationstherapie – in Europa lange Standard – möglich ist, dass infizierte Schwangere HIV-negative Kinder bekommen, wenn sie rechtzeitig behandelt werden. „Mehr als 98 Prozent unserer Kinder werden gesund geboren.“ Für Patienten ist die Behandlung gratis.

Ein Schatz in dem Land, in dem Kinder alles sind. Und die Mütter sind stolz auf ihren Nachwuchs. Wie die Mutter von Henry, er ist zehn Monate, der Vater ist Minenarbeiter. Bruder Mohamed, 10, für sein Alter zu klein, ist auch in Behandlung. Die Mutter sagt, sie fühle sich schuldig. „Dream“ hat auch Selbsthilfegruppen. Junge HIV-Infizierte und „Ativistas“ tanzen und singen zur Aufklärung in Dörfern. Und bei der „Dream“-Tagung in Maputo mit Vertretern der staatlichen Gesundheitsbehörde.

Medizin ist gratis

Die Aids-Stiftung und Projektsponsoren wie Total Mosambik präsentieren mit Sant’ Egidio den aktuellen Stand. Es gibt in zehn Ländern Afrikas 42 „Dream“-Zentren und 20 Labore für Diagnostik und Kontrolle. In den drei von der Aids-Stiftung unterstützten „Dream“-Zentren in Mosambik sind 8214 Frauen in Therapie, schon 6702 Kinder wurden gesund geboren.

Das ganze Helferteam.
Das ganze Helferteam.

© Annette Kögel

Der Staat stellt dabei die Medizin für Aids- und Tuberkulose-Behandlung gratis  – Diagnostik, Labore, Lebensmittelhilfen und Personal werden dank Spenden bezahlt. „Für uns ist ,Dream‘ Vorbild für die staatliche Versorgung“, sagt der Vize-Justizminister Mosambiks Joaquim Verissimo. Das ganze Land hat 2000 Ärzte. Auch mit dem „Dream“-Labor im Centro para a Crianca, Maputo, gibt es Austausch. Alle medizinischen Leistungen sind für die Patienten kostenlos – anders als in den staatlichen Zentren.

Mit Herzklopfen in den Slum

Weiterflug nach Beira, nördlich von Maputo. Das Haus mit Behandlungsräumen, Labor, Apothekenlager und dem Wartebereich unterm Dachschatten liegt gegenüber dem Slum Praia Nova. 3000 Patienten sind registriert, darunter rund 400 Kinder, erzählt Ärztin Elsa Motemba, 32. Sie arbeitet in einem Team mit unter anderem drei Ärzten, zwei Schwestern, drei pharmazeutischen Assistenten.

Elsa hat Aids-Waisen betreut, sie behandelt weinende Mütter mit Lungenentzündung, Krebs, Hautleiden oder Bluthochdruck infolge der Immunschwäche. Es ist schwer für die Patientinnen, regelmäßig den weiten Weg aus den Dörfern zurückzulegen, mit den Baby auf dem Rücken, in der Regenzeit und bei Staubstürmen.

Die Ahnen meinen es böse

Die Männer negieren oft alles, die Frau sieht doch gut aus. Sich als aidskrank outen? Immer noch ein Tabu. Vielen denken: Die Ahnen meinen es böse! Ein Fluch! Gott ist nicht mit ihnen! Die „Dream“-Crew motiviert die Frauen, aufzubegehren, die Scham zu vergessen. Sie gucken im Computer nach, wer die Tabletten abgeholt hat.

Sie bitten traditionelle Heiler, zu kooperieren, damit Kinder nicht zu Pflegefällen werden. Wenn eine Frau nicht kommt, suchen sie die Frauen drüben im Slum. Die Gäste gehen mit, mit Herzklopfen, aber die Sorge ist unbegründet. Freundlicher Empfang, Jugendliche, die Feuerholz auf dem Kopf tragen, winken.

Wenn Infizierte Medizin regelmäßig einnehmen, entwickeln sich keine resistenten HI-Viren. Diese machen nicht an Grenzen halt. Elsa erzählt mit viel Leidenschaft. Es kommen ihr auch mal die Tränen. Mosambikaner haben eine viel kürzere Lebenserwartung als Deutsche. Wer HIV hat und die Behandlung absoviert, lebt wegen der Gesundheitskontrolle sogar länger als der durchschnittliche Mosambikaner. „Dream“, das ist ein Segen.

Und wie kann man helfen?

Die Berliner und die Deutsche Aids-Stiftung in Bonn, sie sind eng miteinander verbunden – und die Menschen in der Hauptstadt profitieren stark vom Engagement. 2014 haben bundesweit 1161 Frauen und 1145 Männer in finanzieller Not Anträge auf Einzelhilfe gestellt, etwa für einen Schreibtisch oder einen Kühlschrank. Fast alle wurden bewilligt. Im Jahr 2014 kamen gut 25 Prozent aller Anträge aus Berlin, nämlich 506. Von den insgesamt bewilligten Leistungen erhielten die Berliner sogar knapp 30 Prozent.

In den Jahren 2013 und 2014 gingen bei der Aids-Stiftung 4,5 Millionen Euro als Spenden ein, davon kamen 760 000 Euro von Spendern aus Berlin, das sind 17 Prozent. Doch mehr als 30 Prozent der Einzelhilfen für HIV- und Aids- Kranke in Finanznot gingen nach Berlin, bilanziert Ulrich Heide, der Geschäftsführende Vorstand der Stiftung.

Benefiz-Gala am 7. November

Die Deutsche Aids-Stiftung nimmt am meisten über Benefiz-Veranstaltungen ein. So haben allein die bisher 21 Festlichen Operngalas in Berlin der Stiftung mehr als 6,2 Millionen Euro eingebracht. Die 22. Gala findet am 7. November 2015 statt, da werden Einnahmen von mindestens 300 000 Euro erwartet. Dieses Geld kommt durch den Verkauf der Eintrittskarten zusammen, es kommen Spenden von Einzelpersonen, Untenehmensvertretern und Sponsoren hinzu. Die Aids-Stiftung freut sich auch sehr darüber, dass anlässlich der Operngala in Berlin immer viele Großspenden aus dem übrigen Bundesgebiet eingehen.

Die Erlöse der Gala gehen zum großen Teil an Hilfs-, Beratungs- und Wohnprojekte und Betroffene in Not in Berlin. Daneben wird auch das „Dream“-Programm in Mosambik gefördert – sowie das zweite große Programm der Stiftung in Afrika, „Hope“ in Kapstadt zur Behandlung von infizierten Kindern und zur Begleitung der Familien. Seit ihrer Begründung 1987 hat die Stiftung 1987 rund 40 Millionen Euro an Betroffene und Projekte gegeben und mehr als 80 000 Menschen in Not geholfen.

Festliche Operngala, 7. 11., Kartenvorverkauf (260 bis 650 Euro) bei der Deutschen Oper Berlin, Tel. 34 38 43 43. Info zum Spendenkonto: www.aids-stiftung.de.

Auf einer der nächsten „Wer hilft wem“-Seiten lesen Sie, was man als ehrenamtlicher Helfer in einem Waisenheim in Kenias Hauptstadt Nairobi erlebt.

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