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Berlin: Datenschützer: Gentest ist Zwangstest

Die Polizei fordert Speichelproben im Babyklappenmord – ohne jegliche Rechtsgrundlage, sagt Garstka

Von Jörn Hasselmann

Berlins Datenschutzbeauftragter Hansjürgen Garstka kritisiert den massenhaften DNA-Test im Krankenhaus Waldfriede als „problematisch“. Es fehle eine gesetzliche Regelung, sagte er dem Tagesspiegel. Verärgert sind die Datenschützer, dass sie nicht vorher informiert wurden. Die Polizei hatte diese Woche 423 weibliche Beschäftigte der Klinik zu einer Erbgut-Probe auf „freiwilliger Basis“ aufgefordert, um den „Babyklappenmord“ aufzuklären. Der Bitte kamen 294 Frauen nach. Alle weiteren – Verweigerer, Kranke und Urlauber – will die Polizei „einzeln aufsuchen“ und um eine Speichelprobe bitten.

Genau das kritisiert Garstka jedoch als Aushebelung der Freiwilligkeit. „Man wird gezwungen, seine Unschuld zu beweisen“, sagt Garstka – das kehre den Rechtsgrundsatz um, wonach der Staat die Beweislast habe.

Der Chefermittler im Babymord, Oliver Knecht, lobt den Massentest in der Klinik dagegen als „vollen Erfolg“ und bedankte sich bei den Angestellten für das Verständnis. Wie berichtet, glaubt die Polizei, dass die beiden Täterinnen, die am 8. Juli einen mit 15 Stichen ermordeten Säugling in der Babyklappe abgelegt haben, „einen engen Bezug zum Krankenhaus“ haben. Die Angestellten, die die drei von der Polizei angebotenen Abgabetermine versäumt haben, „und die in unser Raster passen“, will die Sonderkommission jetzt einzeln um eine Probe bitten. Knecht wirbt dafür: Ein kurzer Speicheltest sei für viele Menschen doch angenehmer als Ermittlungen im persönlichen Umfeld oder gar die Frage nach dem Alibi. „Zwingen können wir keinen“, sagt der Kriminaloberrat.

Und das sei auch gut so, sagen die Datenschützer. Weiter fordert Garstka, dass die Proben nach der Analyse sofort vernichtet werden. „Das Mittel DNA-Analyse darf nur bei schwersten Straftaten wie Mord, Totschlag und Sexualdelikten eingesetzt werden“, sagte Garstka – „und nicht häufiger“.

Doch für die Polizei werden die Möglichkeiten moderner Analyse immer verlockender. „Je mehr Datensätze gespeichert sind, desto mehr Treffer gibt es“, sagte ein leitender Kriminalbeamter. So sollte auch von Einbrechern die DNA genommen werden – denn viele Straftäter steigern sich in ihrer kriminellen Karriere. In den vergangenen Wochen wurden zwei spektakuläre Morde durch einen DNA-Abgleich geklärt: Beide Täter waren wegen vorangegangener Kapitalverbrechen in der Gen-Kartei des Bundeskriminalamtes gespeichert. Den Abgleich erledigt der Computer – einfach, schnell und sicher. In der BKA-Datei sind 163 000 Proben gespeichert. In diesem Jahr lag die Aufklärungsquote bei 16 Prozent, das heißt, jede sechste DNA-Spur klärte einen Fall.

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