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Einsatz am Gullydeckel. Feuerwehrmänner in der überfluteten West-City.

© REUTERS

Dauerregen und Ausnahmezustand: Retter in der Not für Berlin und Brandenburg

3000 Einsätze in 24 Stunden: So etwas haben auch erfahrene Berliner Feuerwehrleute noch nicht erlebt. Und auch in Brandenburg herrschte Notstand.

Land unter in der Hauptstadt

Das war extrem. Solche Einsatzzahlen haben selbst altgediente Mitarbeiter der Notrufzentrale der Berliner Feuerwehr allerhöchstens zu Silvester erlebt. Rund 1800 mal mussten die Helfer der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Wehren und des Technischen Hilfswerks (THW) von Donnerstag, 12 Uhr, bis Freitagmittag ausrücken, um die Folgen der Sintflut mit Ach und Krach in den Griff zu bekommen. Hinzu kamen etwa 1200 Rettungsfahrten zu gesundheitlichen Notfällen, Unfällen und Bränden. Unterm Strich stand folglich die Rekord-Gesamtzahl: 3000 Einsätze binnen 24 Stunden.

Um dies zu schaffen, rief die Wehr den Ausnahmezustand aus, was bedeutet: „Notrufe wurden nach Priorität abgearbeitet“, so Feuerwehrsprecher Gerd Buske. „Gefahren für Leib und Leben hatten Vorrang“. Alle weiteren Fälle, wozu die meisten Wassereinbrüche gehörten, wurden streng „nach Bedrohungslage“ abgearbeitet. Deshalb mussten manche Hausbesitzer länger warten, bis ihr voll gelaufener Keller leer gepumpt wurde.

In den U-Bahnhöfen stand das Wasser

Mehr war aber nicht zu leisten. Insgesamt waren am Donnerstag 600 Berufsfeuerwehrleute, 700 Mitglieder der Freiwilligen Wehren und 100 THW-Helfer im Einsatz. In der Leitstelle waren alle Notrufplätze besetzt, dennoch hingen vier Stunden lang 50 bis 60 Anrufer in der Warteschleife. Rund 160 Lösch- und Katastrophenfahrzeuge mit Pumpen eilten zu vollgelaufenen Kellern, Tiefgaragen und überfluteten U-Bahnstationen wie an der Spichernstraße. Dort lief das Regenwasser über die Treppen bis zum Bahnsteig hinab. Insgesamt pumpten die Helfer bis Freitagmittag mehr als 1400 Gebäude leer. Eine solche extreme Einsatzlage habe man letztmals beim Sturmtief „Anita“ 2002 erlebt, zog ein Feuerwehrsprecher Bilanz.

Wasserschutzpolizei. Berlins Einsatzkräfte waren zwei Tage im Dauereinsatz – und die Nacht dazwischen auch.
Wasserschutzpolizei. Berlins Einsatzkräfte waren zwei Tage im Dauereinsatz – und die Nacht dazwischen auch.

© imago/Marius Schwarz

Warum liefen so viele Keller trotz der ausgefeilten Sicherheitsvorkehrungen bei den Hausabläufen voll? Häufig seien in solchen Fällen die sogenannten Rückstauklappen nicht mehr intakt, eventuell verklemmt, erläutern die Wasserbetriebe. Diese Klappen lassen zwar das Abwasser vom Haus in den angeschlossenen Kanal fließen, verhindern aber in umgekehrter Richtung den Rückfluss vom Kanal ins Gebäude.

Ausnahmezustand auch in Brandenburg

Zuerst packten sie selbst an, bildeten eine Eimerkette, um das Wasser aus dem Untergeschoss zu holen: im Landratsamt von Oberhavel in Oranienburg, wo die Verwaltungsserver stehen und wegen der Wassermassen vom Netz genommen werden mussten. Die Feuerwehren hatten anderswo zu tun. Mehr als 250 Liter pro Quadratmeter fielen im Norden Berlins vom Himmel, wo es sonst pro Jahr etwa 600 sind.
„Auch die Chefs haben mitgemacht“, erzählt Kreissprecher Ronny Wappler. Und sie haben sich nasse Füße geholt. Bis spät in die Nacht hatte Wappler zu tun. Denn Ludger Weskamp (SPD) musste wegen zahlreicher Notrufe einen Krisenstab einberufen.

Oranienburg komplett abgeriegelt

600 Feuerwehrleute waren im Süden Oberhavels im Einsatz, das Technische Hilfswerk rückte an. Freitagnachmittag waren in Oranienburg noch 120 Feuerwehrleute im Einsatz, davon 90 in Leegebruch, das am schwersten von den sintflutartigen Regenfällen getroffen wurde. Der Ort liegt in einer Senke zwischen Berliner Ring und B96. Das Wasser kann nicht abfließen. Große Teile des Ortes standen auch am Freitag unter Wasser. Die Kanalisation und auch das Grabensystem war geflutet. Erst für den Abend rechnete der Landkreis mit sinkendem Pegel, dann könnte das Abpumpen starten. Der komplette Ort wurde abgeriegelt, nur Anwohner durften hinein.

Eingetaucht. Hochwasser schwappte in den Straßen Oranienburgs.
Eingetaucht. Hochwasser schwappte in den Straßen Oranienburgs.

© AFP

Zahlreiche Kitas und Schulen im Raum Oranienburg blieben geschossen. In der Kreisstadt wurden auch ein Baumarkt und ein Supermarkt überschwemmt. Zahlreiche Open-Air- Events am Wochenende wurden abgesagt, der Schlosspark bleibt dicht. In Germendorf geriet die Erddecke einer rekultivierten Mülldeponie ins Rutschen. Einige Anschlussstellen der B96 vom Autobahndreieck Oranienburg nach Norden und die A14 bei Perleberg (Prignitz) wurden wegen aufgeweichter Böschungen gesperrt.

Bauern bangen um die Ernte

Kurios: Selbst auf Grünland floss das Wasser nicht ab. Am Donnerstag standen auf Weiden um Schönefeld und Königs Wusterhausen Pferde bis zum Bauch im Wasser. Und bei der Polizei in Oranienburg stapeln sich 140 verlorene Autokennzeichen, die bei den Fahrten durchs Wasser abfielen. Sorgen machen sich die Landwirte. Im Landessüden drohen durch Hagel Totalverluste bei Mais und Getreide. Die Getreideernte sollte dieser Tage starten. Im Rest des Landes hoffen die Bauern auf Sonne, damit die Ähren trocknen. Sonst ist die Gerste futsch.

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