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Berlin: DDR-Architektur: Meister der individuellen Platte

Eintönige Typenbauten waren noch nie sein Ding. Aber trotzdem hält der Architekturprofessor Wolf Rüdiger Eisentraut die Plattenbauweise für sinnvoll.

Eintönige Typenbauten waren noch nie sein Ding. Aber trotzdem hält der Architekturprofessor Wolf Rüdiger Eisentraut die Plattenbauweise für sinnvoll. Eisentraut bringt das auf die Formel: Ja zu standardisierten Elementen - aber Nein zur Standardisierung ganzer Häuser. "Für mich zählt das Individuelle an einem Gebäude", sagt der 57-Jährige. Und deshalb waren schon in den 80er Jahren seine Häuser am östlichen Stadtrand anders als das damals triste Marzahner Einerlei. Eisentrauts Platten-Bauwerke haben ein unverwechselbares Gesicht: Das bräunlich- rote Rathaus am Helene-Weigel-Platz, das Freizeitforum an der Marzahner Promenade, das Kino "Sojus" oder das Ensemble aus Warenhaus und Post am "Marzahner Tor" gehören dazu.

Der Architekt entwarf die meisten so genannten Gesellschaftsbauten im Bezirk. So erhielt das Rathaus ein geräumiges Foyer mit einem Lichthof und terrassenförmigen Gängen. Das Freizeitforum gestaltete er multifunktional: Sport- und Schwimmhalle, ein großer Saal mit Bühne, Gaststätten sowie eine Bibliothek und Bowlingbahnen sind unter einem Dach untergebracht. Eisentraut erinnert sich, dass es schwierig war, diese vielfältigen Ideen auch umzusetzen. Schließlich wurde in der DDR nach der Devise gebaut: schnell und vor allem kostengünstig.

"Wenn man etwas Originelles einbringen wollte, musste man sehr hartnäckig sein", sagt der Professor. "Und natürlich besessen, aber auch ein bisschen verrückt", fügt er hinzu. Doch das sei er sowieso, sonst hätte er nie diesen Beruf ergriffen. Warum gerade er damals die vielen Großaufträge erhielt, kann er nur vermuten. "Vielleicht weil unser Kollektiv eine gute Produktionsorganisation hatte und wir auch wirklich die vorgegebenen Termine einhielten", sagt er. Außerdem habe er schon immer ein bisschen mehr gearbeitet, als manch anderer. Dass sein "Architektenherz" besonders an dem einen oder anderen seiner Werke hängt, streitet er ab. Dennoch freut es ihn, dass jetzt Teile des Rathauses am Helene-Weigel-Platz unter Denkmalschutz gestellt werden sollen.

Andererseits ärgert er sich manchmal über den Umgang mit der DDR-Architektur. Sollten die Vorschläge einer Investorengruppe am "Marzahner Tor" verwirklicht werden, entsteht dort ein neues Einkaufszentrum, und Eisentrauts Bauten müssen weichen. Der Architekt hat dafür kein Verständnis und schlägt vor, den modernen Bau in den Vorhandenen zu integrieren. Auch die Diskussionen um den "Palast der Republik" lassen ihn nicht kalt. Denn Eisentraut hat auch dort seine Spuren hinterlassen: Von ihm stammt das gläserne Foyer. Aus seiner Sicht könnte unter Einbeziehung des einstigen Palastes etwas Neues entstehen. Einen Wiederaufbau des Schlosses hält er für "die dümmste Idee".

Anfang der 90er Jahre hat sich Eisentraut selbstständig gemacht und ein Büro am Schöneberger Ufer bezogen. Beim Blick aus dem Fenster schaut er direkt auf die Neue Nationalgalerie sowie die Philharmonie und lässt sich inspirieren. Hier entwirft er Projekte für Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels und Ferienanlagen. Vergangenen Sommer wurde unter anderem das von ihm gestaltete Museum auf dem Brocken eingeweiht. Mehrmals im Jahr ist er zudem als Preisrichter für Architekturwettbewerbe tätig. Aber auch jetzt lässt ihn Marzahn nicht los. Im neuen Viertel am "Landsberger Tor" entstehen gerade einige Häuser, die seine Handschrift tragen.

Steffi Bey

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