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Berlin: DDR-Eroberungspläne: Marschbefehl für die NVA: Vorstoß bis zum Kaiserdamm

Es sollte beginnen mit einer neunminütigen Attacke von Jagdbombern auf den Flughafen Tegel, danach sollten Artillerie die Stadt unter Beschuss nehmen und Pionier-Einheiten an 59 Stellen die Grenze durchbrechen. Bis ins letzte Detail war der Überfall der DDR auf West-Berlin geplant.

Es sollte beginnen mit einer neunminütigen Attacke von Jagdbombern auf den Flughafen Tegel, danach sollten Artillerie die Stadt unter Beschuss nehmen und Pionier-Einheiten an 59 Stellen die Grenze durchbrechen. Bis ins letzte Detail war der Überfall der DDR auf West-Berlin geplant. Im Sturm sollten Nationale Volksarmee und Staatssicherheit die Stadt einnehmen. Ausgearbeitete Pläne für die Machtübernahme lagen in Mielkes Schublade bereit. "Das waren keine Sandkastenspiele", betonte der Historiker Otto Wenzel am Dienstagabend im Pankower Ausstellungshaus. Auf Einladung des Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen präsentierte Wenzel neues Aktenmaterial über die Eroberungspläne der DDR.

In den siebziger Jahren übte die NVA unter dem Codenamen "Turnier" die "Organisation und Führung von Gefechtshandlungen zur Einnahme einer großen Stadt". Geprobt wurde an Karten von Magdeburg. Doch es ging um eine andere Stadt, denn das fiktive "Magdeburg" lag an der deutsch-deutschen Grenze und verfügte über West-Alliierte, SPD-Geschäftsstellen und ein Abgeordnetenhaus. Es ging auch nicht um die Verteidigung des Staates, wie die DDR-Führung vorgab. Ein internes Dokument aus dem Jahre 1969, das in den Stasi-Unterlagen auftauchte, belegt, dass die DDR einen "dem Gegner zuvorkommenden Schlag" plante.

Der Angriff wurde in den achtziger Jahren bei Kommandostabsübungen und Kriegsspielen trainiert. Insgesamt 35 000 Soldaten sollten von allen Seiten in die Stadt einmarschieren, darunter 6000 in der DDR stationierte Sowjetsoldaten und 6000 Bereitschaftspolizisten. Für jeden West-Berliner Bezirk lagen Listen von Zielobjekten vor, die es zu besetzen galt. In Tiergarten sollten etwa der Reichstag, das Schloss Bellevue und der Lehrter Güterbahnhof eingenommen werden, in Wedding die Werke von AEG und Schering. Zeitgleich sollten sich 334 Panzer aus östlicher und westlicher Richtung ins Zentrum vorkämpfen, um sich dann an der Kaiserdammbrücke zu treffen.

Der Stasi kamen bei der Eroberung entscheidende Aufgaben zu. Sie musste Führungskräfte "ausschalten", Transportwege kontrollieren und den Aufbau einer kommunistischen Verwaltung unterstützen. Zu diesem Zweck plante das MfS, eigene Kreisdienststellen in den zwölf West-Berliner Bezirken einzurichten. Für die Stasi-Zentralen waren jeweils etwa 45 Planstellen inklusive Fahrer und Sekretärin vorgesehen, die Chefposten waren schon vergeben. Auch Orden für Tapferkeit im Kriegsfall wurden bereits geschmiedet - in Bronze, Silber und Gold.

Wie konkret die Planungen waren, illustriert die Reise einer Stasi-Delegation nach Vietnam. Nach dem Ende des Krieges informierte sie sich 1976 über Kampftaktiken auf feindlichem Boden und über die "Liquidierung von Personen". Von ihrem Besuch brachten die Ostdeutschen amerikanische Uniformen und Waffen mit, die die Nordvietnamesen erobert hatten. Mit denen durfte die NVA ihren Einmarsch in West-Berlin noch realitätsnäher üben.

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