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DDR-Geschichte: Mehr Mauertote als bislang bekannt

Noch immer ist umstritten, wie viele Menschen an der Berliner Mauer und den DDR-Grenzanlagen ihr Leben verloren. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse über die Opfer des Grenzregimes.

Kurz vor dem 46. Jahrestag des Mauerbaus am kommenden Montag gibt es neue Erkenntnisse. Der Historiker Hans- Hermann Hertle hat am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung allein für die Berliner 133 Todesfälle recherchiert und dokumentiert.

Die Liste der Mauertoten beginnt mit Ida Siekmann, die am 22. August 1961 ums Leben kam: Sie sprang aus der dritten Etage ihrer Wohnung in der Bernauer Straße auf den zum Westen gehörenden Bürgersteig und stürzte sich dabei zu Tode. Die Liste endet mit Winfried Freudenberg, der mit einem Gasballon aus der DDR floh. Am 8. März 1989 erlitt er – schon über West-Berliner Stadtgebiet – beim Absturz des Ballons tödliche Verletzungen.

Erheblich mehr Opfer verzeichnet die Liste der Mauertoten, die die Chefin des Mauermuseums am Checkpoint Charlie jetzt vorgestellt hat. Alexandra Hildebrandt geht davon, dass an der Berliner Mauer seit 1961 231 Menschen dem DDR-Grenzregime zum Opfer fielen. Hildebrandt, die jährlich eine Liste vorlegt und damit die Arbeit des Museumsgründers Rainer Hildebrandt fortsetzt, spricht von insgesamt 1245 Grenztoten deutschlandweit. Sie beginnt mit der Zählung 1945: Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe die deutsche Teilung begonnen, sagt sie. Der Bau der Mauer und des Todesstreifens brachte nach dieser Liste 768 Menschen den Tod.

Hildebrandts Zählweise ist umstritten. Sie listet alle Todesopfer auf, die „im Zusammenhang mit Flucht und/oder Grenzregime ums Leben gekommen sind“. Die Opfer tödlicher Schüsse sind ebenso verzeichnet wie Menschen, die bei der Flucht ergriffen worden sind und sich dann das Leben genommen haben. Außerdem bezieht Hildebrandt Fluchtschicksale mit ein, die etwa im Hinterland der Mauer tödlich endeten.

Gemeinsam ist den Opferlisten, dass Hertle und Hildebrandt mit ihrer Erweiterung rechnen. Hertle stützt sich bei seiner Arbeit auf amtliche Todesopfer-Listen und bei der Rekonstruktion der Lebensläufe auf Zeitzeugen. Unter den 133 Toten waren auch 27 Menschen „ohne Fluchtabsichten“, so Hertle: Manche wurden im Grenzgebiet getötet, andere starben durch Unglücke. So ertrank im Oktober 1927 ein türkischer Junge beim Entenfüttern in der Spree. Niemand traute sich, ihm zu helfen, weil der Fluss an dieser Stelle zu Ost-Berlin gehörte.

Hildebrandt bezieht bei ihren Forschungen Erkenntnisse über die Bestattung von Grenztoten ein. Die Arbeitsgemeinschaft 13. August wolle „alle Opfer personifizieren“ – auch die, die als unbekannte Tote an der Mauer starben. wvb.

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