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DDR-Rundfunkgelände: Neue Vorwürfe gegen Finanzverwaltung

Berlins Finanzverwaltung soll den Vertrag zum umstrittenen Verkauf des DDR-Rundfunkgeländes schon vor Abschluss des Geschäftes gekannt haben. Dabei gingen dem Land Berlin Millionensummen verloren.

Berlin - Die Behörden stimmten demnach nur wenige Monate vor dem Geschäft einem in wesentlichen Punkten vergleichbaren Vertrag für dasselbe Gelände (den der Käufer später rückabwickelte) ohne weiteres zu. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sagt hingegen, seine Verwaltung habe den umstrittenen Vertrag damals nicht gekannt und ihm in dieser Form auch nicht zugestimmt.

Die fragwürdigen Umstände beim Verkauf des Geländes an der Nalepastraße hatten einen politischen Streit ausgelöst, weil der öffentlichen Hand Millionensummen verloren gehen dürften. Der Käufer hatte für die Immobilie nur 350.000 Euro bezahlt, inzwischen aber einen Teil des Geländes für rund 3,9 Millionen Euro weiterverkauft.

Finanzverwaltung hatte keine Einwände

Dass die Berliner Finanzverwaltung gegen die Art des Verkaufs und den extrem geringen Verkaufswert nichts einzuwenden hatte, zeigt ein Schreiben vom 29. März 2005. Darin bemerkt ein Referent für Liegenschaften der Senatsverwaltung für Finanzen zu dem ersten (rückabgewickelten, aber nahezu identischen) Kaufvertrag vom 6. April: "Der Gesellschafter Berlin erhebt keine Einwände gegen die Veräußerung des Grundstücks Nalepastr. 10-50...". In diesem Dokument gab es - ebenso wie in dem später abgeschlossenen Vertrag - keine so genannte Spekulationsklausel. Mit einer solchen Klausel hätte die öffentliche Hand bei einem kurzfristigen Weiterverkauf des Geländes Anteile an möglichen Gewinnen beanspruchen können.

Genau solche Gewinne hat der Käufer, die Firma Bau und Praktik aus Jessen, bereits gemacht. Schon nach dem Verkauf eines ersten Teilstücks hat die Firma rund 3,5 Millionen Euro verdient. Begünstigt wurde dieses Geschäft dadurch, dass in beiden Verträgen beim Verkauf eine Zerstückelung des historischen Geländes nicht ausgeschlossen wurde.

Wurden Bedenken innerhalb der Verwaltung übergangen?

Dokumente, die der Nachrichtenagentur ddp vorliegen, verstärken den Verdacht, dass der Immobilienverkauf bei der Berliner Finanzverwaltung mit wenig Aufmerksamkeit betrieben wurde. So hatte der mit dem Fall befasste Referent der Finanzverwaltung beispielsweise bemerkt, dass eine Vertragsklausel zur Altlastbeseitigung auf dem Gelände negative finanzielle Konsequenzen für die öffentliche Hand haben könnte. Er teilte seine Bedenken den Beamten der für den Verkauf zuständigen landeseigenen Liegenschaftsgesellschaft Sachsen-Anhalts (Limsa) schon am 1. April 2005 per E-Mail mit. Dennoch wurde die Klausel wortwörtlich in den Verkaufsvertrag vom 3. November übernommen.

Am 12. September präsentierte der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt das Ergebnis einer Sonderprüfung zur Affäre um den Verkauf des Areals. Die oberste Kontrollinstanz des Landes schrieb, das Geschäft sei "mit normalem Geschäftsgebaren nicht erklärlich" und stelle sich "im Ergebnis im höchsten Maße unprofessionell und für die fünf neuen Länder und Berlin nachteilig dar". Der Landesrechnungshof kritisierte außerdem das Verhalten der beteiligten Bundesländer, darunter Berlin. Bei Bedenken wegen des Kaufvertrags hätten die Länder die Möglichkeit gehabt, "ihre jeweils gegenüber Limsa erteilte Vollmacht zurückzuziehen".

Lisa Paus, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte: "Das beweist, dass die Senatoren Harald Wolf und Thilo Sarrazin nicht die Unschuldslämmer sind, als die sie sich dargestellt haben. Sie haben diesen Vermögensschaden in fahrlässiger Weise mit herbeigeführt." (tso/ddp)

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