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Berlin: Deals im Einvernehmen

Gewoba verkaufte städtische Immobilien und ignorierte dabei die EU-Ausschreibungsregeln

Potsdam - Im Fall der dubiosen Gewoba-Privatisierungen im Jahr 2000 ist weiter unklar, wer über die Ausschreibungs- und Verkaufskonditionen entschieden hat. Damals hatte das städtische Wohnungsunternehmen in zwei Paketen 1050 Wohnungen veräußert. Für beide Pakete bekam der Investor Theodor Semmelhaack den Zuschlag und stieg damit zu einem der wichtigsten privaten Immobilienanbieter und -vermieter in der Landeshauptstadt auf. Zuvor hatte Semmelhaack die Neubausiedlung „Altes Rad“ in Eiche mit rund 1000 Wohnungen errichtet.

Um die 1050 Wohnungen zu privatisieren, wählte die Gewoba Verfahren, die zwar zulässig sind, aber deutlich von dem abweichen, was Land und EU als Empfehlungen vorgaben. Beide rieten zu Ausschreibungen, damit Begünstigungen ausgeschlossen sind. Die EU-Kommission sieht dafür als erforderlich an, dass das zum Verkauf stehende öffentliche Eigentum „hinreichend publiziert“ wird: Das heißt, das Angebot soll über einen „längeren Zeitraum (zwei Monate und mehr)“ mehrfach in einschlägigen Medien veröffentlicht werden.

Die Gewoba veräußerte das städtische „Tafelsilber“ auf anderen Wegen: Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer einzigen Anzeige in der FAZ aus. Das sei „ganz offenkundig im Einvernehmen zwischen allen dazu befugten Entscheidungsträgern des Unternehmens und seiner Organe“ erfolgt, erklärte die Gewoba-Mutter, der kommunale Konzern Pro Potsdam. Wer dies genau war, teilt das Unternehmen nicht mit. Damit bleibt unklar, ob Oberbürgermeister Jakobs als Aufsichtsratschef und der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD), der als damaliger Oberbürgermeister Gesellschafter der Gewoba war, genaue Kenntnis der Verfahren hatten. Beide hatten vom Magazin „Stern“ erhobene Vorwürfe, es habe bei den Grundstücksgeschäften Unregelmäßigkeiten gegeben, zurückgewiesen.

Warum die Gewoba nicht nach EU-Regeln ausschrieb, erklärt Pro Potsdam so, dass es für kommunale Unternehmen keine Ausschreibungspflicht gebe. Die EU-Regeln seien „kein verbindlicher Rechtsakt“. Dennoch machen sie auch zu Preisabschlägen auf öffentliches Eigentum Vorgaben. Erst wenn eine Ausschreibung erfolglos bleibt, sieht die EU fünf Prozent des Marktwerts als Abschlag vor.

Die Gewoba verkaufte das erste Immobilienpaket mit zehn Prozent „Paketabschlag“ – für 14,3 Millionen Euro. Beim zweiten Paket, für das Semmelhaack zwölf Millionen Euro zahlte, gab es sogar 20 Prozent Abschlag. Die Wirtschaftsprüfer der Domus Revision zogen bereits beim Bodenrichtwert zehn Prozent ab, dann folgte der ebenso hohe „Paketabschlag“. Diesen rechtfertigen die Gewoba und ihr Aufsichtsratschef Jakobs heute damit, dass die Grundstückspakete attraktive Grundstücke und „Schrott“ enthalten hätten. Außerdem habe die Gewoba durch den Paketverkauf Kosten gespart. Fest steht aber, dass der Millionen-Deal umstritten war. Neben den städtischen Rechnungsprüfern protestierte auch ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung gegen das Verfahren. Sabine Schicketanz

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