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Berlin: Dem neuen Mietspiegel auf der Spur

Der Altbau wird gestürmt, könnte also teurer werden: Ortstermin Schöneberg

Die meisten Interessenten kommen zwanzig Minuten zu früh. Manche laufen nervös auf den Bürgersteigen vor der Münchner Straße 29 hin und her, als müssten sie gleich beim 100-Meter-Lauf starten. Andere warten in Sonntagslaune vor dem mausgrauen Gründerzeithaus, haben Kinder und Hunde dabei und gestalten die Wohnungsbesichtigung wie einen Familienausflug. Punkt 14.30 Uhr tritt der Makler auf, gut 40 Menschen umringen ihn und drängeln ihm nach in den Hausflur. Jeder will ganz vorne sein, wie beim Kinoeinlass. Ein erfreuliches Bild für jeden Vermieter, zeigt es doch, welche Attraktion von zentral und zugleich ruhig gelegenen sanierten Altbauwohnungen ausgeht. Ein weniger erfreuliches Bild natürlich für die potenziellen Mieter – die dem neuen Mietspiegel zufolge künftig noch mehr für die begehrten Wohnungen zahlen dürften.

In der Münchner Straße stürmen die Interessenten nach oben zur inserierten Vier-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. 124 Quadratmeter für 775 Euro Kaltmiete. „Das ist außergewöhnlich günstig“, sagt die junge Ärztin Maria Grünbaum und fragt sich schon auf der Treppe: „Wo ist der Haken?“

Was sie sich wünscht, sagt sie deutlich. Sie sehnt sich nach dem „Altbau-Flair“. Abgezogene Dielen, Flügeltüren, Stuck an hohen Decken und „diese herrlichen Hausfassaden“. Das sucht sie mit ihrem Mann und der zweijährigen Tochter an der Hand. Die meisten anderen haben den gleichen Traum und gleichfalls akademische Berufe, sind Doppelverdiener und 30 und 50 Jahren alt. Aber dann sind fast alle enttäuscht und lassen den Makler nach einer Runde durch die vier Zimmer im düsteren Flur alleine zurück. Zehn Schichten Farbe auf dem Stuck, Schimmel am Silikon im Bad, zugige Fenster, der Grundriss verwinkelt. Die Hoffnung auf eine ordentlich renovierte oder gar sanierte Wohnung zerstiebt.

Das ärgert die Lehrerin Elke Niendorf. „Im Inserat en werden oft hohe Erwartungen geweckt, tatsächlich bietet man uns dann ungepflegte Buden an.“ Viele pflichten ihr bei, tauschen Erlebnisse aus. Dann wünscht man sich Glück. Und tröstet: „Wir finden noch was Tolles .“

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