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Die Routen

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Update

Demo am Sonnabend im Regierungsviertel: Auf diesen Routen ziehen die Rechten durch Berlin

Am Sonnabend wollen Rechtsextremisten durch das Zentrum ziehen. 5000 Teilnehmer wollen auch das Kanzleramt passieren. Die evangelische Kirche und das Bündnis "Berlin Nazifrei" mobilisieren dagegen - in getrennten Zügen.

Eine Woche nach dem 1. Mai steht Berlin eine weiterer heikler Demonstrationstag bevor. Am Sonnabend wollen mehrere tausend Rechtsextremisten im Regierungsviertel aufmarschieren. Sie demonstrieren vom Washingtonplatz am Hauptbahnhof, ziehen dann vorbei am Kanzleramt über die Luisenstraße und die Marschallbrücke zum Bahnhof Friedrichstraße. Bürgerliche, linke und linksextremistische Gruppen sowie die evangelische Kirche mobilisieren ebenfalls. In Sicherheitskreisen spricht man von einer der größten rechten Demo in Berlin seit der Wiedervereinigung.

Sicherheitskreise erwarten beim Aufmarsch der Rechten bis zu 6000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. Das wären doppelt soviele wie bei der Demonstration am 12. März, als 3000 Rechtspopulisten und Rechtsextremisten durch die Stadt zogen. Das Spektrum werde auch diesmal ähnlich sein, heißt es. Im März marschieren Anhänger der Minipartei "Pro Deutschland", der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Hooligans, Neonazis, "Reichsbürger", Rocker sowie rechte Russlanddeutsche und "besorgte Bürger". Das Motto damals ist dem heutigen ähnlich. Im März hieß es "Regierungstausch JETZT - Merkel und Co. müssen weg", diesmal wird schlicht "Merkel muss weg" gefordert.

Rechtsextremen demonstrierten bis jetzt in kleinen Gruppen in Berlin - wie hier in in Hohenschönhausen. Nun wird der größte Aufmarsch seit Jahren erwartet.
Rechtsextremen demonstrierten bis jetzt in kleinen Gruppen in Berlin - wie hier in in Hohenschönhausen. Nun wird der größte Aufmarsch seit Jahren erwartet.

© dpa

Die Rechtsextremisten wollen vom Hauptbahnhof unter dem Motto "Merkel muss weg" durch das Berliner Stadtzentrum ziehen. 5000 sind bei der Polizei angemeldet, dies erscheint realistisch. Im März hatte die gleiche Gruppe "Wir für Berlin & Wir für Deutschland" 3000 Menschen auf die Straße gebracht. Die Polizei wollte am Freitagmittag noch nicht öffentlich machen, mit wie vielen Beamten sie im Einsatz sein wird.

Der Bereich, im dem Chaos auf den Straßen herrschen wird, ist sehr weiträumig – er erstreckt sich vom Großen Stern bis zum Alexanderplatz. Vor allem im Straßenverkehr wird es erhebliche Behinderungen geben. Gegen den braunen Aufmarsch sind bislang vier Gegendemonstrationen angemeldet, eine kleinere wurde am Freitagmorgen abgesagt.

Motto der Kirche: "Posaunen statt Parolen"

Die Evangelische Kirche will morgen mit ihrer Demonstration unter dem Motto "Posaunen statt Parolen" vom Brandenburger Tor zum Gendarmenmarkt ein Zeichen setzen für Weltoffenheit und Toleranz. "Wir wissen, dass von der ganzen Welt auf Berlin geschaut wird", sagt Thorsten Wittke, Sprecher der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. "Wir sehen es als unsere Pflicht an, zu zeigen, dass die Stadt weltoffen und tolerant ist." Für die Abschlusskundgebung am Gendarmenmarkt sind viele prominente Redner vorgesehen: Bischof Markus Dröge, der Präsident des Abgeordnetenhauses Ralf Wieland (SPD), die Chefin des DGB Doro Zinke und Margot Käßmann, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Erwartet werden bis zu 5000 Teilnehmer.

Die Kirche möchte nicht gemeinsam mit der Antifa marschieren. Wittke betont, man habe mit dem Bündnis "Berlin nazifrei" gesprochen, das eine Gegendemonstration zum rechten Aufmarsch veranstaltet. "Die Idee, die dahinter steht können wir unterstützen", sagt Wittke, "aber die Methoden sind nicht unsere". Die Linken wollen den Aufmarsch der Rechten blockieren. Laut Wittke hat die Kirche ihre Route bewusst so gewählt, "dass sie nicht konfrontativ ist". Es sei auch nicht geplant, während der kirchlichen Demonstration Parolen zu rufen, "vielleicht wird es Gesänge geben".

Busse und Bahnen reagieren flexibel

Die Polizei will die Einschränkungen auf das "unabdingbar notwendige Maß" beschränken. Betroffen sein werden auch Buslinien der BVG. Konkrete Sperrungen seien aber noch nicht vorgesehen, sagte Sprecherin Petra Reetz. Die Bahn plant derzeit keine Einschränkungen. "Wir werden reagieren, wenn es notwendig ist", sagte ein Sprecher. Möglich sei, dass der Zugang zu Bahnhöfen beschränkt werde.

Die Gegendemonstrationen sollen unter anderem am Großen Stern, am Hauptbahnhof und am Brandenburger Tor beginnen. Sie ziehen dann jeweils mehrere Kilometer durch die Stadt.

Die größte Demo ist die von der evangelischen Kirche mit erwarteten 5000 Teilnehmern. Unter dem Motto "Posaunen statt Parolen" wollen die Protestanten ab 15 Uhr vom Brandenburger Tor zum Gendarmenmarkt ziehen. Zu den anderen Demonstrationszügen werden jeweils einige hundert Teilnehmer erwartet.

Am Freitag wurden noch die letzten Gespräche zwischen Polizei und Anmeldern geführt; die Routen wurden dabei weitgehend bestätigt. Bis auf die Kirchendemo wurden alle Demonstrationen von Einzelpersonen angemeldet.

Aufrufe, den rechten Aufzug gewaltsam zu blockieren

Im März waren die Proteste gegen den Aufmarsch eher schwach ausgefallen. Allerdings hatten auch die Sicherheitsbehörden den braunen Aufzug im Vorfeld völlig unterschätzt und lediglich eine „niedrige dreistellige Zahl“ Teilnehmer erwartet. Es kamen bei Eiseskälte 3000, nach interner Einschätzung der Sicherheitsbehörden "der braune Bodensatz aus Hardcore-Pegidisten, Neonazis, Hooligans, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern".

Auch die linksextremistische Szene hatte den Aufmarsch nach eigenen Angaben "weithin unterschätzt".  "Doch diesen Fehler werden wir nicht noch einmal machen", heißt es in einem Aufruf. Bereits am 1. Mai wurde auf einem großen Transparent "Nazis verjagen" auf dem Myfest für den Sonnabend mobilisiert. Es gibt Aufrufe den rechten Aufzug gewaltsam zu blockieren. "Wir wollen diesen Tag zu einem Desaster für Neonazis und Bullen machen", heißt es in einem Schreiben. Die Polizei wird etwa 2000 Beamte aufbieten.

Rechte wollen friedlich bleiben

Enrico Stubbe, Organisator von "Merkel muss weg", sagte dem Tagesspiegel: "Wir werden auf Aggressionen der Gegenseite nicht anspringen." Man wolle sich überraschen lassen, wie viele Menschen tatsächlich kommen würden. "Wenn es mehr als tausend werden, sind wir für Berlin zufrieden", sagte Stubbe, der nach eigenem Bekunden kein Nazi, sondern ein "Systemkritiker der etablierten Parteien" ist.

Linke lehnen Einladung auf Bühne ab

Stubbe hatte dem "Bündnis Berlin Nazifrei" sogar ein Gespräch angeboten. "Uns wirft man immer vor, mit uns könne man nicht diskutieren. Wir sind gerne bereit, einen Vertreter von Berlin Nazifrei zu einem zehnminütigen Meinungsaustausch auf unserer Bühne zu begrüßen." Bei "Berlin Nazifrei" wollte man nicht auf das Angebot einzugehen. Auf Nachfrage sagte Bündnissprecher Steffen Schmidt: "Herr Stubbe unterhält Kontakte zu bekennenden Neonazis. Wir sehen keine Möglichkeit für ein sinnvolles Gespräch. Wir wollen und werden den Rechtspopulisten keine Bühne bieten", sagte Schmidt dem Tagesspiegel.

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