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Den Bürger im Blick. Mit Teleskop-Attrappe und Merkel-Maske protestierten einige Tausend am Brandenburger Tor gegen staatliche Überwachung.

© dpa

Demo "Freiheit statt Angst" in Berlin: „Wo bleiben die deutschen Whistleblower?“

Mehrere tausend Menschen demonstrieren am Samstag vor dem Brandenburger Tor gegen Überwachung und die Datensammel-Wut der Nachrichtendienste. Sie warten auf einen "deutschen Edward Snowden".

„Wo bleiben die deutschen Whistleblower?“, fragt Annegret Falter die 3000 Menschen vor dem Brandenburger Tor. Viele tragen weiße Masken, Pappschilder mit dem Gesicht von Edward Snowden oder Zensurbalken vor den Augen. Sie demonstrieren unter dem Motto „Freiheit statt Angst – Aufstehen statt Aussitzen“ gegen die „digitale Durchleuchtung ganzer Gesellschaften im Namen von Sicherheit und Terrorbekämpfung“. Dass es beim Bundesnachrichtendienst (BND) keine Gesetzesverstöße gebe, zweifelt Falter vom Whistleblower-Netzwerk an. Ebenso, dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) effektiv dagegen vorgehen kann. „Das PKG wirkt wie eine Farce“, sagt Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei. Die Geheimdienste komplett abschaffen will die Piratenpartei nicht. Aber wenn es nicht möglich sei, die Geheimdienste so zu kontrollieren, „dass sich ihre Arbeit nicht gegen die eigenen Bürger richtet – dann sollte man darüber nachdenken“, sagt Körner.

81 Organisationen darunter der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Reporter ohne Grenzen und der Chaos Computer Club hatten zur Demo aufgerufen. Auch die Linkspartei, Grüne und die Jugendorganisation der FDP waren vor Ort. Internet-Aktivistin und Piraten-Politikerin Anke Domscheit-Berg steht mit Transparent und rotem Hut direkt vor der Bühne. „Für mich gehen Demokratie und Geheimdienste nicht zusammen“, sagt Domscheit-Berg. In der DDR sei sie als Oppositionelle überwacht worden, die Abschaffung der Stasi sei eine Errungenschaft der Bürger gewesen. Sie fordert, dass auch die Nachrichtendienste in der BRD ihre Arbeit einstellen.

Nichts gelernt aus dem NSA-Skandal

„Es gibt kein Innehalten angesichts des größten Nachrichtenskandals der Geschichte, ein Jahr nach den Enthüllungen von Edward Snowden“, sagt Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Stattdessen beteilige sich die Bundesregierung am Wettrüsten für mehr Überwachung. Das kritisiert auch einer der Teilnehmer der Demo: „Die Regierung nimmt das Problem nicht ernst.“ Ein anderer befürchtet, dass schrittweise demokratische Errungenschaften und Freiheit abgebaut werden. Er selbst habe zwar keine Angst, überwacht zu werden. „Aber vom Daten-Beifang bin ich auf jeden Fall betroffen“, sagt der Berliner. „Wenn ich ein Passwort per Mail verschicke, muss ich davon ausgehen, dass das mitgelesen und im Zweifelsfall auch genutzt wird.“

Auch der Internetaktivist und Entwickler der Verschlüsslungs-Software Tor, Jacob Appelbaum, sollte noch auf der Auftakt-Kundgebung auftreten. Der US-Amerikaner lebt derzeit in Berlin. Anschließend zogen die Demonstranten durch das Regierungsviertel. Die Veranstalter sprechen in diesem Jahr von 6500 Teilnehmern. Die Demonstration findet seit 2006 jedes Jahr statt.

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