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Tafelkreide auf der Straße. Mehrere hundert Lehrkräfte zogen am Donnerstag vor die Senatsverwaltung für Bildung am Alexanderplatz, um für bessere Bezahlung zu demonstrieren. Manche Eltern nahm auch ihr Kind mit.

© Kai-Uwe Heinrich

Demo vor der Bildungsverwaltung: Lehrer machen ihrem Ärger Luft

Vor der Bildungsverwaltung demonstrierten junge Lehrer für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld. Ein weiteres Problem: Der „Bonus“, um Pädagogen aus anderen Bundesländern zu locken, vergrößert das Gehaltsgefälle.

Geschönte Statistiken zum Unterrichtsausfall, überalterte Kollegien, 1550 Dauerkranke, drastische Gehaltsgefälle in den Lehrerzimmern und fehlender Nachwuchs in Mangelfächern: Fast alle Probleme der Berliner Schule wurden am Donnerstag von knapp 600 Pädagogen angeprangert, die vor der Senatsverwaltung für Bildung demonstrierten. Erwartet worden waren 1000. Zudem kündigte der Beamtenbund einen neuen Vorstoß gegen die Nichtverbeamtung von Lehrern an.

„Wir prüfen ein Normenkontrollverfahren vor dem Landes- oder Bundesverfassungsgericht“, sagte der Vorsitzende des Berliner Beamtenbundes, Joachim Jetschmann, dem Tagesspiegel. Er begründet den juristischen Schritt damit, dass laut Grundgesetz Lehrer „in der Regel“ Beamte sein sollen. In Berlin hingegen sei es umgekehrt: Die verbeamteten Lehrer würden absehbar in der Minderzahl sein. Bestätigt sieht sich Jetschmann durch ein neues Gutachten der Ruhr-Universität, wonach der Lehrerberuf eine hoheitliche Aufgabe sei und deshalb die Verbeamtung verlange.

Welche Schwierigkeiten – auch neben dieser verfassungsrechtlichen Frage – Berlin hat, die Nichtverbeamtung durchzuhalten, zeigt sich immer deutlicher. Nachdem Hunderte Berliner Lehrer abgewandert sind, wird zunehmend um Pädagogen aus anderen Bundesländern geworben: Sie dürfen in Berlin nicht nur ihren Beamtenstatus behalten, sondern bekommen auch Zuschläge, weil Berlins Beamtensold unter dem anderer Länder liegt. Der Beamtenbund-Chef bezifferte den Unterschied auf bis zu 20 Prozent zwischen Berlin und Spitzenzahler Baden-Württemberg.

Bildergalerie: Lehrer demonstrieren für Arbeitserleichterungen

Bislang erhielten nur jene Lehrer die Zuschläge, die im Rahmen des regulären und meist familiär bedingten Lehrertausches nach Berlin wechselten und dabei Mangelfächer zu bieten hatten. Vor wenigen Wochen wurde der Personenkreis erweitert, der die Zulagen von monatlich mehreren hundert Euro bekommen kann: Jetzt erhalten ihn laut Bildungsverwaltung auch jene Lehrer, für deren Wechsel nach Berlin aufgrund einer „einzelfallbezogenen Bestenauslese“ ein „dienstliches Interesse“ vorliegt. Auch wenn dies bislang nur „unter 100“ Pädagogen betreffe, sei es abzulehnen, weil die Ungleichbehandlung die „Spaltung der Berliner Lehrerschaft“ verschärfe, warnte die GEW.

Dieser jüngste Versuch der Bildungsverwaltung, den Lehrermangel abzuwehren, verärgert die Junglehrer zusätzlich. „Wir werden dafür bestraft, dass wir in Berlin geblieben sind“, lautet das Resümee der Junglehrer, die am Donnerstag protestierten. Sie fordern entweder die Rückkehr zur Verbeamtung oder eine Bezahlung, die mit der von Beamten in anderen Bundesländern vergleichbar ist.

VBE lehnte „Spielereien“ mit den Arbeitszeitkonten ab

Da ihre Forderungen – besonders die nach Verbeamtung – von vielen Eltern und auch GEW-Mitgliedern als überzogen und unverschämt empfunden werden, argumentieren die Junglehrer neuerdings vor allem mit den Negativfolgen des Personalmangels. Bei der Demo vor der Bildungsbehörde nannten sie konkrete Beispiele für den um sich greifenden Lehrermangel, der vor allem durch die hohe Krankheitsquote entstehe. Sie kritisierten, dass etwa die Hälfte der Vertretungskräfte keine vollständige Pädagogenausbildung habe und dennoch sogar Oberstufenkurse unterrichtete. Der Sprecher der Junglehrerinitiative „Bildet Berlin!“, Florian Bublys, bemängelte zudem, dass Unterricht auch dann als „vertreten“ deklariert werde, wenn die Schüler lediglich Aufgaben mit nach Hause bekommen. Er schätzt, dass mangels Vertretungsreserve rund 20 Prozent der Stunden nicht regulär erteilt werden, während die Schulen nur zehn Prozent melden.

Die andere Gruppe der Demonstranten verlangte, dass der Senat zur Altersermäßigung zurückkehrt. Analog zu anderen Bundesländern und zur früheren Berliner Regelung wollen sie, dass Lehrer ab 55, 58 oder 60 Jahren nicht mehr die volle Stundenzahl unterrichten müssen, um das volle Gehalt zu bekommen. Der Senat erwägt, die Auflösung der Arbeitszeitkonten mit der Altersermäßigung zu koppeln. Die Koalition hatte sich vorgenommen, diese Konten aufzulösen und nicht bis zur Pensionierung stehen zu lassen.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) lehnte inzwischen „Spielereien“ im Zusammenhang mit den Arbeitszeitkonten ab. „Eine Beendigung der Arbeitszeitkonten ohne eine Kompensation werde von den Kollegen als „Betrug“ verstanden, warnte zudem der GEW-Vorsitzende Hartmut Schurig anlässlich der Demonstration am Donnerstag.

Wie es weitergeht, ist unklar. Bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen am Dienstag wollte sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nicht zu der Frage äußern, wie die Chancen für eine Rückkehr zur Altersermäßigung stehen. Sie verwies auf die laufenden Gespräche zwischen Gewerkschaften und Senat.

VBE und GEW forderten überdies übereinstimmend, dass der Senat stärkere Anstrengungen unternehmen müsse, um den Krankenstand der Lehrer zu senken. Neben einer Personalausstattung von 110 Prozent sei es nötig, die Pflichtstundenzahl zu senken und zur Altersteilzeit zurückzukehren. Das allerdings würde Berlin teuer zu stehen kommen: Florian Bublys sagte am Donnerstag mit Hinweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass Berlins Lehrer mit 55,6 Jahren im Schnitt die ältesten bundesweit sind. Rund 10 000 gehen bis 2019 in Pension.

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