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Berlin: Den Ausweis, bitte!

Am Checkpoint Charlie stehen wieder Grenzposten

„Anhalten bitte! Darf ich mal die Ausweise sehen? Führen Sie Bananen bei sich?“ In schneidigem Befehlston schallen die Anweisungen durch das Megaphon. Einige Passanten, die an diesem Wintertag die Friedrichstraße entlang schlendern, drehen sich erstaunt um. Die Insassen des angehaltenen Fahrzeuges sind einen Moment lang irritiert und lachen dann. „Nichts zu verzollen.“ Kurz scherzen sie noch mit dem Mann in der grünen DDR-Uniform, der plötzlich nicht mehr so streng wirkt, dann darf der Wagen passieren. Auf dem Mittelstreifen am Checkpoint Charlie verhandelt eine junge Frau in Vopo-Uniform mit einem Touristen, der wissen will, ob er sein Transitvisum auch in Schweizer Franken bezahlen kann, während der Kollege vom Zoll eine Gruppe junger Spanierinnen ins Visier – seiner Kamera – nimmt. Kichernd rücken sie die Pelzhüte und DDR-Uniformmützen auf ihren Köpfen zurecht. „So, noch ein bisschen nach links, ja, und jetzt lächeln!“, ruft der Grenzer, bevor er abdrückt.

Den drei Uniformierten macht ihr Job Spaß. Kein Wunder, die vermeintlichen DDR-Beamten stehen freiwillig hier. Im richtigen Leben sind Tom Luszeit, Marcel Trunsch und Doreen Schmidt Studenten der Schauspielschule Ernst Busch. Die Idee zu der ungewöhnlichen Show kam Tom Luszeit, als er die Touristenscharen beobachtete, die Tag für Tag vor den Überresten der ehemaligen Sektorengrenze an der Friedrich- Ecke Zimmerstraße fürs Erinnerungsfoto posieren. „Den Touristen wird in Berlin viel zu wenig Erinnerung an die Zeit der Teilung geboten“, sagt er. „Die meisten haben keine Ahnung, wie es hier mal aussah. Die wissen nicht mal, wo Osten und wo Westen war.“

Für einen Euro können sich Touristen seit drei Monaten mit einer Volkspolizistin oder einem DDR-Zollbeamten fotografieren lassen. Für fünf Euro gibt es ein Polaroid-Foto, und die Grenzpolizisten stellen ein Transitvisum in authentischem DDR-Design aus, mit Originalstempel natürlich. Die Hälfte des Erlöses spenden die Studenten ans benachbarte Mauermuseum oder an gemeinnützige Organisationen. Bisher sind die Einnahmen bescheiden, doch die drei sind optimistisch: „Wir hoffen natürlich auf die Sommermonate, wenn hier alles voller Touristen ist.“

Die ersten Reaktionen auf die Inszenierung waren geteilt. Vor allem ehemalige DDR-Bürger empörten sich über den ihrer Meinung nach falschen oder unsensiblen Umgang mit der jüngeren deutschen Geschichte. Inzwischen seien die Reaktionen mehrheitlich positiv, berichten die Grenzschauspieler. Die meisten Passanten scheinen sich gerne auf das Spielchen einzulassen. Einige werden sogar nostalgisch. Sogar eine Kooperation mit einem Busunternehmen gibt es: Die Sightseeing-Busse werden angehalten, die Pässe kontrolliert.

Jetzt nähern sich Japaner dem „Kontrollpunkt“. Sie blicken sich suchend um, fragen sich offenbar, wo hier denn bloß die Mauer gestanden haben soll. Aber vielleicht ist es nicht schlecht, dass die meisten Touristen heute keine Ahnung haben, wo Osten und wo Westen war. Sonst würde ihnen auffallen, dass die jungen Leute in den DDR-Uniformen eigentlich auf der falschen Seite stehen. Den Schauspielschülern wurde die Show im ehemaligen sowjetischen Sektor nämlich untersagt – vom Bezirksamt Mitte. Die Genehmigung für ihre Touristen-Show haben sie nur von der Kreuzberger Seite bekommen. Und auch das hat zwei Jahre gedauert.

Sarah Hartmann

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