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Berlin: Den optimalen Test gibt es nicht

Kaum eine Früherkennungsmethode für Krebs ist wirklich geeignet, das ist das Ergebnis neuer Studien, unter anderem der Stiftung Warentest. Für welchen Krebs gibt es überhaupt Vorsorgeprogramme? Wer bietet sie an, was kosten sie – und was bringen sie? Ein Überblick

Die Diskussion über Nutzen und Nachteile der Früherkennung ist zurzeit weltweit heftig im Gange. Tests produzierten oft falsche Befunde und führten manchmal sogar zu unnötigen Operationen, sagt Klaus Koch, 42, Biologe, Wissenschaftsjournalist und Autor zweier Bücher über Krebsfrüherkennung. Andersherum übersähen Krebsuntersuchungen zehn bis 30 Prozent der Tumore, die sie eigentlich finden sollen. Den optimalen Test, der harmlos, schnell und absolut präzise ist, gebe es leider nicht. Deshalb müsse man die Aussicht auf einen Nutzen abwägen gegen die Schäden, die ein Test verursachen kann. Koch, der für die Stiftung Warentest auch gerade die Bewertung der Krebsfrüherkennungstests beschrieben hat, rät: Wenn ein Arzt eine Untersuchung vorschlägt, ist es kein Fehler, erst einmal Nein zu sagen. Man kann es sich bis zum nächsten Arztbesuch ja immer noch überlegen. Das gelte besonders für Tests, die man aus eigener Tasche zahlen soll, denn „mittlerweile haben viele Ärzte Früherkennungstests als lukratives Geschäft entdeckt“. Von den fast 40 so genannten IGeL-Untersuchungen, was für Individuelle Gesundheitsleistung steht, die manchmal mehrere 100 Euro kosten, sei nach Bewertung von Stiftung Warentest keine einzige empfehlenswert.

Vier Urteilsabstufungen hat die Stiftung Warentest vergeben, die nachfolgend auch im Text Eingang finden: „nicht“, „wenig“ oder „mit Einschränkung“ geeignet sowie „geeignet“. Die Negativurteile bedeuten nicht automatisch, dass mit dem Verfahren der Krebs nicht erkannt wird, sie sind immer eine Abwägung verschiedener Faktoren. Es kann mit hineinspielen, dass das Verfahren Risiken birgt, dass es zu teuer ist, um für jeden bezahlbar zu sein, aber auch, dass das Ergebnis nicht immer treffsicher ist.

BRUSTKREBS

Die Krankheit

Jedes Jahr wird in Deutschland bei fast 50000 Frauen Brustkrebs neu entdeckt. Es ist die häufigste Krebserkrankung der Frauen. Meist entsteht die bösartige Veränderung in einem der Gänge, in denen sich die Milch sammelt, wenn eine Frau ihr Baby stillt. Mit der Operation will man den Tumor erwischen, ehe er streut; man behandelt aber auch mit Bestrahlung, Chemotherapie oder Medikamenten, die in den Hormonhaushalt eingreifen. Brustkrebs ist in neun von zehn Fällen heilbar, wenn der Knoten bei der Entdeckung weniger als einen Zentimeter misst.

Möglichkeiten der Früherkennung

Die meisten Tumore der Brust werden beim Abtasten zu Hause gefunden. Das sollte jede Frau regelmäßig tun. Studien zeigten aber, dass das Abtasten oft zu Fehlalarm und unnötigen Folgeuntersuchungen führt und die Sterblichkeit nicht verringert. Urteil der Stiftung Warentest: zur Früherkennung nicht geeignet.

Ab 30 haben Frauen auch einmal im Jahr Anspruch auf eine Tastuntersuchung der Brust und der Lymphknoten beim Arzt. Ob das hilft, den schlimmen Ausgang einer Brustkrebserkrankung zu verhindern, ist noch nicht streng wissenschaftlich erwiesen. Deshalb lautet das Urteil hier: als Ergänzung oder Ersatz der Mammografie wenig geeignet.

Beim Röntgen, auch Mammografie genannt, können auch solche Knoten entdeckt werden, die noch nicht tastbar sind. Allerdings stellt sich ein Verdacht auch oft als falsch heraus, dann sind aber weitere teure Untersuchungen schon geschehen, und die Frau war unnötig beunruhigt. Am günstigsten ist das Verhältnis zwischen Nutzen und Nachteil bei Frauen zwischen 50 und 69. Bei ihnen ist Brustkrebs häufiger als bei jüngeren, und die Brust lässt sich besser durchleuchten. Deshalb soll Frauen dieser Altersgruppe in Deutschland bald nach dem Vorbild anderer Länder flächendeckend ein Screening angeboten werden. Bei einem konkreten Verdacht oder erhöhtem Risiko zahlt die Kasse eine Mammographie schon seit längerem, auch für Frauen unter 50 oder über 70. Urteil der Stiftung Warentest: für Frauen zwischen 50 und 70 geeignet.

DARMKREBS

Die Krankheit

Dickdarmkrebs ist bei Männern und Frauen heute die zweithäufigste Krebsform. Er wächst meist aus warzenartigen Wucherungen der Schleimhaut. Die meisten Polypen bleiben harmlos, aber die Zellen können auch bösartig wuchern. Zur Behandlung gehört in manchen Fällen außer der Entfernung des Tumors eine Chemotherapie und eine Strahlentherapie.

Möglichkeiten der Früherkennung

Den Test auf verborgenes Blut im Stuhl zahlen die Kassen: Ab 50 hat jeder darauf einen Anspruch, ab 55 kann man sich entscheiden, ob man alle zwei Jahre einen Bluttest macht oder zweimal im Abstand von zehn Jahren eine Darmspiegelung. Der Stuhl wird auf den Blutfarbstoff Häm (deshalb heißt der gebräuchlichste Test Hämocculttest) untersucht. Ist der im Stuhl zu finden, so ist das ein Hinweis auf blutende Polypen oder Tumore im Darm. Das muss allerdings mit einer Darmspiegelung geklärt werden. Nichtblutenden bösartigen Veränderungen kann man mit dem Test nicht auf die Spur kommen.

Eine Darmspiegelung (Koloskopie) muss nur alle zehn Jahre wiederholt werden, weil Darmkrebs langsam wächst. Für eine große Darmspiegelung führt der Arzt ein eineinhalb Meter langes biegsames Rohr den Dickdarm hoch. Bei der kleinen Darmspiegelung ist der Schlauch nur etwa einen halben Meter lang. Die Bilder aus dem Darminneren werden auf einen Bildschirm übertragen. Diese Untersuchung wird manchmal als unangenehm empfunden. Allerdings ist das eine Früherkennungsmethode, die man ausnahmsweise zutreffend als „Vorsorge“ bezeichnen kann: Polypen, die eine Vorstufe von Krebs sein könnten, können während der Sitzung gleich entfernt werden. Die Stiftung Warentest bewertet Darmspiegelung und Bluttest als zur Früherkennung mit Einschränkung geeignet.

Angenehmer ist eine virtuelle Darmspiegelung mittels Computertomografie, weil eine Röntgenaufnahme die Untersuchung mit dem Endoskop ersetzt, wenn auch das gleichzeitige Abtragen von Polypen dann nicht möglich ist und eine Extramaßnahme her muss. Die Kosten zwischen 150 und 300 Euro werden von den Kassen nicht übernommen. Das Urteil der Stiftung Warentest: zur Früherkennung nicht geeignet.

GEBÄRMUTTERHALSKREBS

Die Krankheit

Nur zwei von 100 Frauen, die an Krebs sterben, fallen diesem Krebs zum Opfer. Der Gebärmutterhals ist das Verbindungsstück zwischen Scheide und Gebärmutter; wichtigster Auslöser für Krebs hier ist eine Infektion mit den humanen Papillomaviren, die beim Sex übertragen werden. Solche Infektionen sind häufig, es wird allerdings nur selten Krebs daraus.

Möglichkeiten der Früherkennung

Der Pap-Abstrich, benannt nach einem griechischen Arzt namens Papanicolaou, ist für Frauen ein alter Bekannter: Er ist seit Jahren Bestandteil des Früherkennungsprogramms ab 20 Jahren. Es werden dabei Zellproben aus der Scheide entnommen, die unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht werden. Die Stiftung Warentest stuft den Test als „mit Einschränkung geeignet“ ein.

Seit einigen Jahren wird von den Frauenärzten verstärkt ein zweiter Test angeboten: Der HPV-Test, mit dem in den Zellen nach dem Erbgut der Viren gefahndet wird, ist aber eine Individuelle Gesundheits-Leistung und kostet um die 50 Euro. Die Ergebnisse des sehr empfindlichen Tests führen zur unnötigen Beunruhigung vieler Frauen. Bei jungen Frauen, so die Stiftung Warentest, kommen „bis zu zehn falsche Verdachtsbefunde auf eine entdeckte Schleimhautveränderung“. Deshalb lautet das Urteil: Zur Früherkennung nicht geeignet.

HAUTKREBS

Die Krankheiten

Am bekanntesten ist das Melanom, der bösartige „schwarze Hautkrebs“, der schnell streut. Basalzellkrebs und Stachelzellkrebs, die vor allem im Gesicht, an Händen und Armen wachsen, sind jedoch weitaus häufiger.

Möglichkeiten der Früherkennung

Hautkrebs wächst an der Oberfläche, deshalb muss Früherkennung eine systematische Kontrolle der Haut bedeuten. Das kann in Selbstkontrolle oder beim Haus- oder Hautarzt geschehen, der dazu meist ein besonderes Auflichtmikroskop benutzt. Es ist keine Früherkennung, wenn der Arzt einen Leberfleck begutachtet, den der Patient selbst schon auffällig fand. Die einfache Kontrolle im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung beim Allgemeinarzt, beim Gynäkologen oder Urologen zahlt die Kasse, die sorgfältige Untersuchung beim Dermatologen ist jedoch eine Individuelle Gesundheitsleistung und kostet 20 bis 40 Euro. Weil noch zu wenig belegt ist, dass die systematische Kontrolle der Haut die Heilungschancen erhöht, kommt die Stiftung Warentest zum Urteil „wenig geeignet“.

LUNGENKREBS

Die Krankheit

Jedes Jahr sterben in Deutschland fast 40000 Menschen an Lungenkrebs. Bei Männern ist er die häufigste, bei Frauen nach Brust- und Darmkrebs die dritthäufigste Todesursache. 80 bis 85 Prozent der Erkrankten sind Raucher. Sehr häufig wird die Krankheit erst erkannt, wenn vom Herd in der Lunge schon bösartige Zellen in den Körper gewandert sind und Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet haben. Von den Patienten, deren Krankheit erst anhand dieser Fernmetastasen diagnostiziert wird, überleben nur wenige die ersten Jahre.

Möglichkeiten der Früherkennung

Diese Krebsform schon im Frühstadium zu erkennen, könnte das Leben vieler Menschen verlängern. Die Hoffnungen für die Zukunft gelten DNS-Chips, mit deren Hilfe Veränderungen im Erbgut erkannt werden könnten. Heute wird Lungenkrebs mit Röntgenverfahren (unter anderem auch Computertomografie) und Tests am Schleim aus den Bronchien aufgespürt. Doch Studien zeigten, dass dies die Sterblichkeit nicht senkt. Das Urteil der Stiftung Warentest über solche Screenings: nicht geeignet.

PROSTATAKREBS

Die Krankheit

Die Prostata ist eine etwa walnussgroße Drüse. In ihr werden Bestandteile der Samenflüssigkeit hergestellt. Krebs entsteht in der Prostata fast immer aus den Drüsenzellen, die sich rasch erneuern.

Seit Ende der 80er Jahre hat die Diagnose Prostatakrebs drastisch zugenommen. Mit 41 000 Neuerkrankungen pro Jahr kommt der Krebs inzwischen in der Statistik schon bald nach dem der Brust. Das ist zum Teil Folge der erhöhten Lebenserwartung: Prostatakrebs tritt nämlich bevorzugt im hohen Alter auf. Eine Geschwulst der Prostata kann – wie der Medizinkritiker Julius Hackethal es ausdrückte – einen Mann viele Jahre als „Haustierkrebs“ begleiten. Bei jedem dritten Fünfzigjährigen und bei der Hälfte der Achtzigjährigen finden sich solche kleinen Tumore. Der Tumor kann jedoch auch schnell wachsen und Tochtergeschwülste bilden, etwa in den Knochen.

Prostatakrebs ist heute nach Lungen- und Darmkrebs der dritthäufigste Grund, wenn Männer an Krebs sterben. Damit diese aggressive Form nicht zum Todesurteil wird, muss sie behandelt werden, mittels Operationen, mit Bestrahlungen oder mit einer Blockade der männlichen Geschlechtshormone, unter deren Einfluss der Krebs wächst. Bei kleinen Tumoren, die im hohen Alter langsam wachsen, kann es aber auch vernünftig sein, auf eine Behandlung zu verzichten.

Möglichkeiten der Früherkennung

Die Tastuntersuchung, bei der der Arzt die Prostata durch den After befühlt, gehört für Männer ab 45 schon lange zum Krebsfrüherkennungsprogramm, die Kassen zahlen sie einmal im Jahr. Das Problem: Tumore werden oft erst entdeckt, wenn sie schon ziemlich groß sind, andererseits kann man gutartige Veränderungen für Tumore halten. Urteil der Stiftung Warentest: nicht geeignet.

Der PSA-Test misst im Blut das Eiweiß „Prostata-spezifisches Antigen“, das dort nur in geringen Mengen vorkommt. Ist der Wert im Blut erhöht, kann das für Krebs sprechen, ein Beweis ist es aber nicht. Als Schwellenwert gilt vier Nanogramm pro Milliliter. Einem Verdacht wird meist mit einer Tastuntersuchung, mit Ultraschall durch den Enddarm und Gewebeproben weiter nachgegangen. Die Kasse zahlt den PSA-Test bei gesunden Männern nicht, als „IGeL“ kostet sie um die 30 Euro. Urteil: nicht geeignet.

LEUKÄMIE UND LYMPHKREBS

Keine Früherkennung gibt es für gefürchtete Krankheiten wie Blutkrebs (Leukämie) und Lymphkrebs. Im Blut ist der Krebs zudem erst sichtbar, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist.

Zum Weiterlesen

Stiftung Warentest: Untersuchungen zur Früherkennung Krebs. Nutzen und Risiken. Autor: Klaus Koch, Berlin 2005, 19,90 Euro

Christian Weymayr, Klaus Koch: Mythos Krebsvorsorge. Schaden und Nutzen der Früherkennung, Eichborn Verlag 2003, 19,90 Euro

Adelheid Müller-Lissner

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