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Berlin: Denkmalgeschützte Kirche in Moabit steht zum Verkauf

Die evangelische Reformationsgemeinde im Beusselkiez muss ihr Gebäude aufgeben. Es fehlt Geld für die Sanierung

Die Christen sind im Beusselkiez in Moabit in der Minderheit. Die Hälfte der Berliner dort glaubt an Allah, die meisten anderen an gar nichts. Ein Opfer dieser Entwicklung ist jetzt die evangelische Reformationskirche geworden: ein denkmalgeschütztes, neugotisches Gebäude an der Beusselstraße, das vor fast hundert Jahren gebaut wurde. Der Gemeindekirchenrat hat das Gotteshaus samt Nebengebäude und 1800 Quadratmeter großem Grundstück zum Verkauf frei gegeben – „nicht freiwillig“, sagt Pfarrer Michael Rannenberg.

Die Landeskirche habe Druck gemacht, denn es fehlt das Geld für die dringende Sanierung. „Wir sind erpresst worden“, sagt Pfarrer Rannenberg, die Landeskirche habe gedroht, alle Zahlungen an die Gemeinde einzustellen, falls sie sich weigere, das Gebäude frei zu geben.

2,4 Millionen Euro müssten für die Sanierung aufgewendet werden, das Dach ist einsturzgefährdet, ein Brand vergangenes Jahr hat den Neubau neben der Kirche beschädigt, in dem seit den 60er Jahren Wohnungen und der Gemeindesaal untergebracht sind. Außerdem entspricht das Gebäude nicht den heutigen Bauvorschriften. Gleichzeitig sind die Betriebskosten in den vergangenen Jahren gestiegen.

Die auf 2500 Mitglieder geschrumpfte Gemeinde hat das Geld für die Reparaturmaßnahmen nicht, denn alle finanziellen Mittel wurden in den vergangenen Jahren für die Sanierung der benachbarten Heilandskirche aufgewendet, mit der die Reformationsgemeinde 2004 fusioniert wurde. Gegen eine weitere Nutzung der Reformationskirche durch die angestammte Gemeinde spricht wohl auch, dass zwar drei Mal wöchentlich die „Cantorei“, ein 60-köpfiger Chor, Leben in die Kirche bringt, sonntags aber gerade mal drei bis zehn Gläubige zum Gottesdienst kommen. Sie verlieren sich in dem großen Backsteinbau, der 1907 für 800 Gläubige errichtet wurde. „Nur ein großer Sponsor kann die Kirche retten“, sagt Pfarrer Rannenberg. Um einen solchen potenziellen Helfer zu finden, und den Standort zu erhalten, will die Cantorei Ende August ein Konzertwochenende und ein Straßenfest veranstalten. „Gerade in einem Problemkiez wie Moabit mit hoher Arbeitslosigkeit müssen alle kirchlichen und staatlichen Stellen dazu aufgerufen werden, diese kulturelle Insel zu erhalten“, schreibt der Chor in einem Aufruf. Pfarrer Frieder Breitkreutz-Hamm ruft im aktuellen Gemeindeblatt zu „Aktionen, Petitionen und Spendensammlungen“ auf.

Die Landeskirche bestätigt, dass die Reformationskirche in ihren Besitz zurückgefallen ist. Was damit geschehen soll, sei aber noch ungewiss. Geld zur Sanierung sei nicht vorhanden. Ein Verkauf sei aber nur die letzte Option, erst wolle man prüfen, ob nicht andere Nutzungen innerhalb der Kirche möglich sind. Eine Fraktion innerhalb der Gemeinde plädiert zwar nicht für eine kirchliche Nutzung, aber eine religiöse der anderen Art: Sie würden das Gotteshaus an die Muslime abgeben, mit denen man im Beusselkiez gut zusammenarbeite. Die Landeskirche ist dagegen, halte das für eine „Zweckentfremdung“, sagt Pfarrer Rannenberg. Er ist da anderer Meinung: „Ist doch auch eine religiöse Nutzung, besser als ein Supermarkt.“

Auch in anderen evangelischen Kirchenkreisen wird es künftig zu weiteren Gemeindefusionen und Veräußerungen von Gebäuden kommen. Denn noch ist nicht abzusehen, dass die Kirchensteuereinnahmen irgendwann einmal wieder steigen werden. Im Kirchenkreis Wilmersdorf etwa gibt es Überlegungen, die weniger lebendigen Gemeinden mit den anderen zusammenzuschließen, die mehr Besucher anziehen. So sollen die derzeit neun Pfarreien auf sechs reduziert werden.

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