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Dennis J. Beerdigung

© dpa

Dennis J.: Wut am Grab

"Wir wollen Gerechtigkeit" und "U-Haft für den Todesschützen" forderten Angehörige und Freunde von Dennis J. bei einem Trauermarsch am Freitag. Der 26-Jährige war am Silvesterabend von einem Polizisten erschossen worden.

Berlin - Als der Refrain von Xavier Naidoo in der Kapelle des Friedhofs Alter St. Jacobi ertönte, war das Schluchzen der Trauernden bis in den hintersten Winkel des alten Gemäuers nördlich der Karl- Marx-Straße zu hören. „Und ich wollte noch Abschied nehmen, das werd ich mir nie vergeben Mann, wie konntest du von uns gehn? Jetzt soll ich dich nie mehr sehn (...)“, tönte es über den Friedhof. Die Angehörigen und Freunde weinten um Dennis J. Den „Neuköllner Jungen“, wie ihn der Trauerredner nennt. Er starb mit 26 Jahren am Silvesterabend im brandenburgischen Schönfließ, nachdem ein Polizist auf ihn geschossen hatte. Offenbar ohne Not, denn Dennis J. saß unbewaffnet in einem – gestohlenen – Jaguar und hatte dort auf seine Freundin gewartet.

Rund 300 Menschen waren Freitag gekommen, um Abschied zu nehmen. Darunter auch viele türkisch- und arabischstämmige junge Leute. Vor Beginn der Trauerfeier lag der Tote offen aufgebahrt in einem Sarg – in den gefalteten Händen einen Blumenstraße, auf dem Kopf eine Wollmütze. Als später der Sarg in die Kapelle getragen wurde, musste Dennis’ Mutter – gezeichnet von der Trauer – von Freunden gestützt werden.

Während der Zeremonie verschweigt der Redner nicht Dennis’ „dunkle Seiten“ und spielt darauf an, dass der junge Mann kriminell war und knapp 160 Verfahren in der Polizeiakte standen. Zuletzt wurde er mit drei Haftbefehlen wegen Diebstahls und Verkehrsdelikten gesucht. Der Polizist, der ihn getötet hat, habe ihm aber die Chance genommen, sich in seinem Leben noch zu bewähren. „So ein Ende hat er nicht verdient“, sagt der Redner, „denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Das galt auch für Dennis.“ Patricia, die Freundin des Toten, erzählte am Rande der Beerdigung, sie wolle Gerüchte, dass sie zuvor mit dem beschuldigten Polizisten liiert gewesen sein soll, endlich aus der Welt schaffen: „Das ist alles nicht wahr.“

Nach der Beerdigung zog ein Trauermarsch zum Polizeipräsidium nach Tempelhof. „Wir wollen Gerechtigkeit“, skandierten die Teilnehmer und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „U-Haft für den Todesschützen“ hoch. Die Angehörigen kritisieren, dass der beschuldigte Kommissar Reinhard R. (35) trotz Haftbefehls auf freiem Fuß ist. Ihre Wut richtet sich auch gegen die beiden anderen beteiligten Beamten, die angeblich die Aufklärung des Falls boykottieren, weil sie nichts gehört und gesehen haben wollen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ordnete inzwischen eine Vernehmung der beiden Beamten durch einen Richter an, um sie zu einer „wahrheitsgemäßen“ Aussage zu bringen, wie es hieß.

Beim Protest appellierten die Teilnehmer an Polizeipräsident Dieter Glietsch, das Verhalten der Beamten „nicht zu tolerieren“. Glietsch hatte erstmals zu dem Fall persönlich Stellung genommen und erklärt, dass die Geschehnisse in Schönfließ eine der größten Belastungen in seiner Amtszeit seien, wie ein Sprecher bestätigte. Seine Beamten seien hervorragend ausgebildet, aber auch sie könnten in Situationen geraten, in denen sie falsch reagieren. In Schönfließ kostete eine solche Fehlreaktion Dennis J. das Leben. Tanja Buntrock

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