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Neue Kunst im alten Schloss. Künstler Carsten Hensel ist in Sacrow mit seiner Installation „Silberschirm“ vertreten. Foto: dpa/Bernd Settnik

© dpa

Berlin: Der Charme des Unsanierten

Schloss und Park Sacrow laden nach zweijähriger Schließung wieder ein. Eine neue Kunstausstellung zeigt „Paradestücke“.

Sacrow – Statt des üblichen Kronleuchters hängt im schönsten Zimmer des Schlosses Sacrow ein Marmorstein von der Decke. Um ihn schlängelt sich ein farbiger Plastikschlauch, der sich auf dem Boden verzweigt und symbolisch die Energieströme ins ganze Gebäude verteilen soll. Die Idee der Künstlerin Birgit Cauer gehört zu den 19 Arbeiten der Ausstellung „Paradestücke“, die eine ganz eigenwillige Sicht auf den 300. Geburtstag Friedrich II. zeigen. Da stehen im Spiegelsaal überdimensionierte Schachfiguren, und im Treppenhaus liegen in Silberpapier eingewickelte Alltagsgegenstände, während ein Hund vom Band fast ohrenbetäubend jault. Dagegen zeigt die vom „Neuen Atelierhaus Panzerhalle“ im benachbarten Groß Glienicke zusammengestellte Schau nicht ein einziges Porträt des Preußenkönigs.

Dafür passen die Werke ganz wunderbar zum besonderen Charme des unsanierten Schlosses an einem der schönsten Orte zwischen Potsdam und Berlin-Spandau. An den Wänden fehlt der Putz, die Fußböden weisen Schäden auf und die Fenster könnten auch eine Generalüberholung vertragen. Vor allem aber erinnert nichts an ein Museumsschloss mit wertvollen Möbeln, Gemälden, Skulpturen oder eben Kronleuchtern. „Von uns aus könnte dieses Provisorium noch eine ganze Weile andauern“, sagt Hannes Kowatsch, Chef des Bürgervereins „Ars Sacrow“, der im Haus regelmäßig Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und einmal im Monat auch Kinofilme zeigt. Seine Mitglieder ermöglichen auch die ganzjährige Besuchsmöglichkeit der benachbarten Heilandskirche.

Nach Auskunft des Generaldirektors der Schlösserstiftung, Hartmut Dorgerloh, steht eine umfassende Sanierung des einstigen Jagdschlosses von Friedrich Wilhelm IV. in „absehbarer Zeit“ nicht zur Debatte. „Es besteht kein Handlungsdruck, zumal viele andere Häuser unserer insgesamt 300 baulichen Anlagen eine höhere Priorität besitzen.“ Es sei sogar reizvoll, den Besuchern einmal ein „unvollendetes Gebäude“ zu zeigen.

Dennoch tauchen Schloss und Park Sacrow in der Jahresbilanz der Schlösserstiftung als Eigentümerin mit einer beachtlichen Summe auf. Rund 750 000 Euro kostete die Beseitigung einer giftigen Hinterlassenschaft aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals hatte eine Manufaktur für Bleiweißprodukte den Boden im Park und die Räume im Schloss verseucht. Mehr als 150 Jahre hatte sich niemand darum gekümmert, ehe vor drei Jahren ein Gutachten nicht ausschloss, dass die Gesundheit von Besuchern gefährdet sein könnte. Das ganze Areal wurde abgesperrt, so wie zwischen 1961 und 1990.

Damals hatte allerdings der Ausbau der DDR-Grenzanlagen zur Abriegelung geführt. Eine rund acht Hektar große Fläche und damit ein Drittel des Parks verlor das ursprüngliche Aussehen, zumal die Grenztruppen hier auch noch ihre Wachhunde ausbildeten. Selbst die Heilandskirche blieb von den Zerstörungen nicht verschont. Eine Spende von Tagesspiegel-Lesern verhinderte in den achtziger Jahren den Einsturz des Gotteshauses.

Inzwischen sind alle Bauten der DDR-Grenzer verschwunden. Blumenrabatten, Sträucher, Bäume und Rasenflächen schmücken das Gelände wieder wie zu königlichen Zeiten, nachdem in den letzten beiden Jahren 5330 Tonnen kontaminiertes Erdreich ausgehoben und ersetzt wurden. Auch die alten Blickachsen zum Flatowturm im Park Babelsberg, zur Glienicker Brücke oder zum Belvedere auf dem Pfingstberg sind wiederhergestellt. Und die Besucher können im Schloss wieder beruhigt durchatmen. Denn nach der Grundreinigung liegt kein Blei mehr in der Luft. Dem Kunstvergnügen steht damit nichts mehr im Wege.

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