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Berlin: Der Club der Enthusiasten: Zehn Jahre Comicbibliothek „Bei Renate“

Seit 1992 versorgt eine einzigartige Institution Fans mit Nachschub / Heute Ausstellungseröffnung

Von Lars von Törne

Wundersame Gestalten gehen hier ein und aus. Hasen in Cowboykluft und Enten in Ritterrüstung. Japanische Monster und amerikanische Superhelden. Widerständige Gallier, pfiffige Mäuse, knollennasige Strichmännchen und abenteuerlustige Reporter. Die Bibliothek „Bei Renate“ in Mitte ist ein Paradies für Freunde gezeichneter Geschichten. Und sie ist, so die Betreiber, einmalig in Europa. In diesem Herbst feiert das Team von „Bei Renate“ zehnjähriges Bestehen.

Für ein selbstverwaltetes, alternatives Kulturprojekt, entstanden in der Aufbruchstimmung der Nachwendejahre, sind zehn Jahre eine beachtliche Zeit. Vielleicht liegt das daran, dass hinter der Bibliothek ein Club von Enthusiasten steckt. Ein gutes Dutzend Comicfans sind es, die neben dem Gründer, dem Zeichner Peter „Auge“ Lorenz, ehrenamtlich die Ausleihe betreuen, neue Hefte anschaffen und den Lesern bei der Auswahl aus rund bunten 5000 Bilderbänden helfen. Außerdem geben sie regelmäßig die Kunstcomic-Zeitschrift „Renate“ heraus.

„Wir wollen helfen, Comics als Massenmedium zu etablieren“, erklärt Harald Kuhn seine Motivation. Der 33-jährige Zeichner war schon als Kind süchtig nach Comics. An die Stelle der Micky-Maus-Hefte der ersten Jahre sind bei ihm inzwischen japanische Actiongeschichten und die Westernabenteuer von Marshal Blueberry getreten. „Comics sind eine wunderbar komplexe Form, Geschichten zu erzählen“, schwärmt auch Renate-Mitarbeiter Oliver Pfeiffer (30). Der Drehbuchautor und Filmemacher begeistert sich besonders für literarische US-Comics, die sich filmischer Stilmittel bedienen. So wie Will Eisners Buch „Dobsie Avenue“, das Alltagsgeschichten aus einer New Yorker Straße erzählt. Oder das schwarz-weiße Mafia-Epos „Road to Perdition“, das jüngst mit Tom Hanks in der Hauptrolle verfilmt wurde.

Finanziert wird „Bei Renate“ durch die Leihgebühr (monatlich 2,50 Euro pro Person), durch den Verkauf von Comics sowie durch regelmäßige Ausstellungen. Zwischen 100 und 150 Dauerleser, die meisten so um die 30, pilgern regelmäßig in die gerade frisch renovierte Ladenwohnung in der Tucholskystraße. So wie die Englischlehrerin Sarah Menzies. Die Schottin kam vor einem Jahr nach Berlin, entdeckte „Renate“ beim Stadtbummel und kommt seitdem jede Woche, um sich mit Nachschub zu versorgen. Im Moment arbeitet sie sich durch die Werke der US-Zeichnerlegende Gilbert Shelton („Freak Brothers“). Comics sind für sie kein Ersatz, sondern eine „erfrischende Abwechslung“ zu geschriebener Literatur, sagt sie. Und oft auch für ihre Schüler: Die Geschichten der Comicfigur „Dilbert“ benutzt die 23-Jährige als Unterrichtsmaterial.

Neben den bunten Büchern im Schaufenster locken auch die regelmäßigen Ausstellungen von Comic-Originalen aus Berliner Ateliers ständig neue Leser an. Heute Abend eröffnet das Renate-Team eine Schau, die sich dem großen Einfluss japanischer Manga-Comics auf deutsche Zeichner widmet. Zu sehen sind Trickfilme und Originale von Harald Kuhn, der unter dem Pseudonym Don Toraneko der japanischen Ästhetik huldigt. Ab 26. Oktober stellt dann Stadtflaneur Tim Dinter seine Berlin-Impressionen vor, die bis vor kurzem täglich in der FAZ erschienen sind. Die Förderung von Berliner Künstlern richtet sich bei Renate auch auf den bislang unbekannten Nachwuchs: Amateurzeichner können sich donnerstags beim öffentlichen Comicabend professionelle Anregung holen. Und vielleicht schon bald ihr erstes Werk gedruckt sehen: Oliver Pfeiffer sammelt derzeit Comics von Nachwuchszeichnern, die er in einem selbstverlegten „Comic-Telegrafen“ veröffentlichen will. So ähnlich haben auch Stars wie Gilbert Shelton, Ralf König oder Hergé mal angefangen.

„Bei Renate“, Tucholskystraße 32, Mitte, Telefon 9700 5815, geöffnet montag bis freitags von 14 bis 20 Uhr. Ausstellungseröffnung „Raamenhandlung“ heute ab 19 Uhr. Mehr Informationen: www.renatecomics.de

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