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Berlin: Der doppelte Leon

Klassisch, zweifach und im Deutschlandtrend: Welche Vornamen die Berliner ihren Kindern gaben

Leon macht’s – wenn ihm Alexander oder Paul auf den letzten Metern nicht doch noch den ersten Rang ablaufen. Dann geht Leon als der beliebteste Berliner Jungenname 2006 in die Statistik ein. Noch spannender wird das Rennen voraussichtlich bei den Mädchen, in den meisten Bezirken rangeln Sophie und Marie noch um den Sieg. Von Rang 1 bis 30 reichen die Listen der einzelnen Standesämter, sie sind aufgeteilt in Knaben und Mädchen sowie die Zahl ihrer Vornamen. Klingt trocken, ist es aber nicht, denn die Tabellen verraten vieles über den Berliner, seinen Kiez und den Zeitgeist:

Die Berliner liegen im Trend. Was für Berlin gilt, gilt auch für Deutschland. Leon, der Löwe, taucht zwar erst seit Anfang der 90er Jahre in den deutschen Vornamenhitparaden auf, gilt hier aber seitdem als feste Größe – und könnte laut vorläufiger Umfrage 2006 in Berlin sogar Platz eins belegen. Deutschlandweit stand Leon im vergangenen Jahr an dritter Stelle, geschlagen von Alexander und Maximilian. Ähnlich konform sieht es bei den Mädchen aus: Marie und Sophie – so hießen die Top 2 in Deutschland 2005. Und so heißen sie voraussichtlich auch in Berlin 2006.

Die Berliner lieben Klassiker. Sophie, die Weisheit, und Marie, das Gottesgeschenk, sind als Namen echte Klassiker – Letztere übrigens bereits seit über hundert Jahren. In Berlin führte Sophie am vergangenen Freitag noch in Mitte, Neukölln und Lichtenberg die Liste an, dafür belegte Marie Platz eins in Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow. Die Angst vieler Eltern, dass ihre ganz besondere Sophie oder Marie dann im Kindergarten nur eine von zehn sein wird, könnte unbegründet sein. Denn beiden Namen ist auch gemeinsam, dass sie besonders gern als zweiter Teil eines Doppelnamens genommen werden. Gerufen werden die Mädchen – jedenfalls wenn man den Listen der befragten Bezirke folgt – dann eher Leonie, Anna oder Charlotte.

Für Berlin geht’s bergauf. Lange Zeit gab es Jahr für Jahr aus der Hauptstadt nur Trübsal zu verkünden: mehr Fortzüge, weniger Geburten, mehr Sterbefälle. Doch jetzt scheint es wieder bergauf zu gehen, zum ersten Mal seit Jahren wächst Berlin wieder. Zu verdanken haben wir die Zahl von 3 395 200 Berlinern vor allem jungen Ausländern (zwischen 18 und 30 Jahren), die zum Studieren oder Arbeiten nach Berlin kommen. Aber auch in Sachen Geburten gibt es Grund zur Hoffnung: 18 482 Geburten gab es zwischen Januar und August im vergangenen Jahr, 18 713 waren es in diesem Zeitraum 2006, was einem Zuwachs von 1,2 Prozent entspricht. Sollte das Plus über das gesamte Jahr gerettet werden können, wäre wohl auch das vor allem den Migranten zu verdanken: Während deutsche Mütter im Durchschnitt 1,1 Kinder gebären, bringen türkische Mütter 2,1 Kinder zur Welt.

Die Migranten meiden Moden. Die Statistiker haben es uns in diesem Jahr vorgerechnet: In Berlin sind rund 40 Prozent der unter 18-Jährigen nichtdeutscher Herkunft – was sich in den Namenshitlisten allerdings nicht entsprechend niederschlägt. Was vor allem damit zusammenhängt, dass sich bei den türkischen Eltern Modenamen nicht so stark durchgesetzt haben. „Das ist vor allem bei den Mädchen viel differenzierter“, heißt es beispielsweise im Standesamt Mitte. Da das Spektrum der gewählten ausländischen Namen viel größer ist als bei den deutschen, haben es türkische Namen schwerer, auf die Hitliste zu gelangen. Immerhin: Ali und Can schaffen es in Mitte auf Platz sechs und sieben. In Neukölln steht Ali an dritter, Can an siebter Stelle, gefolgt von Arda (21) und Muhammed (27). Hier taucht dann auch ein einzelner türkischer Mädchenname auf: Nur, Platz 15.

Die Renaissance ist hip. Bei der Namensfindung lauert abseits der Hitlisten immer ein Dilemma. Da suchen sich die Eltern heute einen ganz besonderen, ganz unüblichen, total veralteten Namen aus – und gehören damit schon morgen zum Mainstream. Wie alle Eltern von Friedrich beispielsweise. Still und heimlich hat sich der Name einen Platz auf der Hitliste erkämpft, beispielsweise in ZehlendorfSteglitz sowie Wilmersdorf-Charlottenburg. Und in Pankow steht Friedrich jetzt bereits auf Platz 5 – wo der Name deutschlandweit 1890 stand. Aber auch bei den Mädchen wird in der Vergangenheit das Gute gesucht: Anna schafft es beispielsweise in Charlottenburg-Wilmersdorf auf Platz 5, Johanna auf Platz 6, Emilia auf Platz 8 und Elisabeth auf Platz 12.

Von der WM keine Spur. Arne, Bastian, Bernd, Christoph, David, Gerald, Jens, Lukas, Marcell, Michael, Mike, Miroslav, Oliver, Per, Philipp, Robert, Sebastian, Thomas, Tim, Timo, Torsten – die sogenannten WM-Helden haben auf den Berliner Namenshitlisten 2006 offenbar alle keine Spur hinterlassen. Gut, da gibt es in West wie Ost eine Menge Jungen namens David (wie Odonkor) – aber dieser Name taucht schon seit 2002 bundesweit unter den ersten zehn auf. Ganz weit vorne ist seit Jahren übrigens auch Lukas (wie Podolski). Und wären Lucas und Lukas in Lichtenberg als ein Name gewertet worden, hätten sie sogar Leon von Platz 1 verdrängt.

Die Bürgerlichen mögen’s doppelt. Vielleicht können sie sich in Zehlendorf-Steglitz, wo 2006 rund 1900 Kinder geboren wurden, einfach nicht entscheiden, zwischen Anna und Marie, Leonie und Sophie, Charlotte und Sarah. Jedenfalls bekommen hier deutlich mehr Kinder zwei, drei oder sogar vier Namen verpasst als nur einen. Das gilt beispielsweise auch für Charlottenburg-Wilmersdorf, wo rund 4500 gezählt wurden. In Mitte (5000), Neukölln (3500) und Lichtenberg (2300) begnügen sich die meisten Eltern hingegen mit einem Namen.

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