zum Hauptinhalt

Berlin: Der eigenen Sterblichkeit bewusst

Die letzte Woche im Kirchenjahr ist angebrochen. Aber bevor alle Jahre wieder die Adventszeit leuchtet und glitzert, laden die Kirchen zum Totensonntag.

Die letzte Woche im Kirchenjahr ist angebrochen. Aber bevor alle Jahre wieder die Adventszeit leuchtet und glitzert, laden die Kirchen zum Totensonntag. Im Berliner Dom lud Domprediger Friedrich-Wilhelm Hünerbein gemeinsam mit dem Bischof und EKD-Vorsitzenden Wolfgang Huber gestern zur Messe – an dem Tag, an dem die Gemeinde der Verstorbenen gedenkt. Der Tag, an dem uns die eigene Sterblichkeit bewusst wird. Vom Orgelvorspiel mit „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ bis zum Predigttext über die klugen und törichten Jungfrauen gemahnte der Gottesdienst, wachsam zu sein und Augen und Ohren offen zu halten für den Erlöser.

„Alles zu seiner Zeit", predigte Huber von der großen Kanzel. Draußen Unter den Linden hängen die ersten Lichterketten. Für den Bischof ein deutliches Zeichen für einen voreiligen Weihnachtsglanz. Es gelte deshalb umso dringender, jeder Zeit ihre eigene Würde zu lassen. Daran wollten auch die evangelischen Kirchen mit dem Aufruf „Rettet den Advent“ erinnern. Der Einzelhandel hat reagiert. Vielfach werden erst heute – einen Tag nach Totensonntag – die Lichter angezündet. Das sind so die Berliner Themen im geistlich-kommerziellen Widerstreit.

Vorsorge zu treffen, so wie die klugen Jungfrauen aus Matthäus 25, die das Öl mitgebracht haben, war das Thema der Predigt. Wenn der Bräutigam kommt, können sie zum Hochzeitszug mit Fackeln den Weg ausleuchten. Die törichten Jungfrauen aber, die das Öl vergessen haben, müssen zum Kaufmann laufen und welches besorgen. Das Gleichnis legt uns nahe, dass der Einzelhändler schon zu Zeiten des Evangelisten für sein Öl und damit für die Energieversorgung bekannt war. Ungünstigerweise erscheint der Bräutigam gerade in dem Augenblick, als die törichten Jungfrauen beim Einkaufen sind. Sie waren nicht gut vorbereitet, weil sie schon vor der Zeit ihr Öl verbraucht hatten.

„An diesem Sonntag steht das persönliche Gefühl und die persönliche Seelsorge im Vordergrund“, sagt Huber. Mit „persönlich“ meint er in diesem Zusammenhang das Private. Denjenigen beistehen, die Familienangehörige oder Freunde verloren haben. Die Toten und Ermordeten der Anschläge von Istanbul dieser Woche hingegen waren in diesem Zusammenhang nicht in die Predigt einbezogen. Für sie, für die Opfer des Terrors wurde in den Fürbitten gebetet.

Für die namentlich nochmals aufgerufenen Verstorbenen aus dem eigenen Kirchenbezirk wurde je eine Kerze angezündet. Ein weiteres Licht brannte symbolisch für alle Toten, derer im Stillen gedacht wurde. „Auch in einer solchen großen Gemeinde wie hier im Dom muss Raum sein für das Persönliche“, sagt Huber. Vor allem die Andachten am Nachmittag auf den Domfriedhöfen Müller- und Liesenstraße stellten diesen direkten Bezug zur Domgemeinde her. So wie in allen anderen Gemeinden auch.

Sven Schade

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false