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Berlin: Der erste Spatenstich nach 207 Jahren

1797 nahmen die USA mit Berlin diplomatische Beziehungen auf. Aber eine Botschaft haben sie noch nie selbst gebaut – das ändert sich jetzt

Wenn an diesem Mittwoch der erste Spatenstich für die neue US-Botschaft am Pariser Platz gefeiert wird, ist das ein Novum. Obwohl die USA und Preußen bzw. Deutschland seit 1797 diplomatische Beziehungen miteinander pflegen, haben die USA nie zuvor eine neue Botschaft in Deutschland gebaut oder bauen wollen.

Historisch liegen zwischen der ersten und der jetzt entstehenden US-Botschaft in Berlin 207 Jahre – geografisch nicht einmal zwei Meter. Denn der Pariser Platz 2, wo in dieser Woche der Baubeginn offiziell gefeiert wird, grenzt an die Stelle, an der 1797 der erste US-Botschafter in Preußen, John Quincy Adams, sein Quartier aufschlug, am Pariser Platz 1.

Zunächst wohnte Adams im Hotel de Russie, Unter den Linden, war aber sehr unzufrieden und ging beinahe täglich aus, um eine Wohnung zu suchen – seinem Tagebuch vertraute er an, dass er richtig verzweifelt war. Endlich fand er eine Wohnung in einem Hause, das auf dem Grundstück Pariser Platz 1 stand. Dennoch genügte die Wohnung nicht ganz. Am 31. Mai 1798 zog Adams in die Behrens- Ecke Friedrichstraße um, und notierte in seinem Tagebuch, die neue Wohnung sei „viel bequemer, aber nicht so gut situiert“. Nach seiner Mission 1801 verließ Adams Berlin – und es dauerte bis 1835, dass die USA wieder einen Botschafter nach Berlin entsandten.

Ab 1837 wechselten die Botschafter in schneller Folge, und fast ebenso schnell wechselten sie Wohnung und Büro. Ein knappes Dutzend Adressen waren es, in denen sie logierten oder ihre Kanzlei hatten. Seit 1797 gab es 54 US- Botschafter in Deutschland, meist in Berlin. Viele von ihnen pflegten einen kultivierten Lebensstil. Botschafter Wright empfing zum Geburtstagsfest für Washington 1859 Alexander von Humboldt, Henry Wheaton schrieb Reiseberichte für die Smithsonian Institution in Washington und George Bancroft wurde eine Stütze der Hochschullandschaft Kaliforniens.

1907 kam es zu einem Eklat, als Kaiser Wilhelm II. sich zunächst weigerte, David Jayne Hill als Botschafter zu akzeptieren, mit der Begründung, Hill sei nicht reich genug, um Amerika gebührend zu repräsentieren; erst ein Gespräch zwischen dem US-Präsidenten Teddy Roosevelt und dem Deutschen Botschafter in Washington, Hermann Freiherr Speck („Specky“) von Sternburg konnte die Einwände Wilhelms zerstreuen. Unter James Watson Gerard wurde ein repräsentatives Haus gefunden – am Wilhelmplatz 7 (an der heutigen Mohrenstraße) in Mitte, wo die USA bis 1929 blieben. Dann zog man in ein gemietetes Haus in der Bendlerstraße (heute: Stauffenbergstraße). Zur gleichen Zeit verhandelten die Amerikaner um ein eigenes Grundstück am Brandenburger Tor.

Ende 1930 stand fest, dass die USA das Palais Blücher, Pariser Platz 2, erwerben würden. Kurz nachdem sie eine Option dafür unterzeichneten, brannte das Haus am 15. April 1931 jedoch aus. Anfangs wollten es die Amerikaner reparieren und im Frühjahr 1932 einziehen. Zunächst behinderte jedoch die Wirtschaftskrise das Anliegen, dann der Wahlkampf 1932. Als diese schließlich überstanden waren, blockierte die Entfremdung zwischen Hitler und Roosevelt eine Entscheidung.

Erst Albert Speer gelang es, die Amerikaner zum Handeln zu zwingen. Im Frühjahr 1938 kündigte er ihre anderen Liegenschaften im Tiergarten, um für seine pompösen Pläne für die Welthauptstadt Germania zu realisieren. Den USA blieb nichts anders übrig, als das Palais Blücher auszubauen, am 1. April 1939 wurde das Gebäude bezogen. Allerdings: ohne Botschafter – der letzte, Hugh Wilson, wurde wegen der „Reichspogromnacht“ eine Woche später zurückgezogen. Ab dem 11. Dezember 1941 befanden sich Deutschland und die USA im Krieg – die Botschaft wurde geschlossen und dem Schweizer Botschafter unterstellt.

Am Kriegsende stand eine Ruine, die die DDR-Behörden im April 1957 abtragen ließen. Als nach der Wende sich die Möglichkeit bot, dort eine neue Botschaft zu errichten, zögerte das State Department wegen der hohen Sicherheitsrisiken. Doch US-Botschafter Robert M. Kimmit nutzte das Interregnum zwischen der Clinton-Wahl im November 1992 und seiner Amtseinführung am 20. Januar 1993, um Fakten zu schaffen. Am 9. Januar 1993 ließ er die Tafel mit der Aufschrift anbringen: „Der einstige und zukünftige Sitz der Amerikanischen Botschaft“.

Aus dem Wettbewerb 1994 bis 1996 ging das kalifornische Architektenbüro Moore, Ruble & Yudell als Sieger hervor. Das in den vergangenen Jahren gewachsene Sicherheitsbedürfnis verzögerte eine Umsetzung dieser Pläne, so dass erst im Frühjahr 2003 alle Bedenken in Gesprächen zwischen Botschaft und Senat ausgeräumt werden konnten. Voraussichtlich im Frühjahr 2008 wird nun der amerikanische Botschafter das neue Gebäude beziehen – nur wenige Meter von der Stelle entfernt, wo einst der erste US-Botschafter 1797 residierte.

Michael S. Cullen

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