zum Hauptinhalt

Berlin: Der Ex-Rechtsextreme Ingo Hasselbach liefert Einblicke in die Szene

Sein Fanatismus trieb den Neonazi so weit, dass er sogar Mitglieder der rechtsextremen "Republikaner" in Attentatslisten eintrug. Kay Diesner sei nicht mehr steuerbar gewesen, sagte der Szene-Aussteiger Ingo Hasselbach am Montag vor dem Lübecker Landgericht.

Von Frank Jansen

Sein Fanatismus trieb den Neonazi so weit, dass er sogar Mitglieder der rechtsextremen "Republikaner" in Attentatslisten eintrug. Kay Diesner sei nicht mehr steuerbar gewesen, sagte der Szene-Aussteiger Ingo Hasselbach am Montag vor dem Lübecker Landgericht. Hasselbach hatte von 1990 bis 1992 als Führungsfigur der Berliner Neonazi-Gruppen "Nationale Alternative" und "Sozialrevolutionäre Nationalisten" Diesner ideologisch und auch im Umgang mit Waffen geschult. Hasselbach trat als Zeuge im zweiten Prozess gegen Diesner auf, der im Februar 1997 in Marzahn den Buchhändler Klaus Baltruschat zum Krüppel geschossen und dann in Schleswig-Holstein den Polizisten Stefan Grage ermordet hatte.

Im ersten Verfahren war Diesner Ende 1997 vom Lübecker Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Teil des Prozesses muss allerdings wiederholt werden. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil zum Anschlag auf Baltruschat - 14 Jahre Haft für versuchten Mord - aufgehoben, da die Anzahl der von Diesner in Marzahn abgegebenen Schüsse nicht klar war.

Hasselbach hatte im ersten Prozess nur knappe Angaben gemacht, weil noch Strafverfahren gegen ihn anhängig waren. Diese sind inzwischen erledigt, so dass sich der einstige Rechtsextremist ausführlich äußern konnte. Diesner stieß laut Hasselbach 1990 zur "Nationalen Alternative" (NA), die bis zu 600 Mitglieder zählte und in dem von Neonazis bewohnten Haus Weitlingstraße 122 (Lichtenberg) residierte. Hasselbach erinnerte sich, Diesner sei an der NA-internen Schulung mit Nazi-Literatur wie Hitlers "Mein Kampf" "stark interessiert" gewesen.

Diesner habe sich auch bei der Organisation von Demonstrationen und Wahlkämpfen hervorgetan, sagte Hasselbach. Er vergaß allerdings zu erwähnen, dass Diesner sogar zum "Schiedsgerichtsvorsitzenden" der NA gewählt worden war. 1991 habe sich die "Nationale Alternative" aufgelöst, da "der legale Weg" zur Macht als gescheitert angesehen wurde, berichtete Hasselbach. Die NA-Führung übernahm ausgewählte Mitglieder wie Diesner, "die härter drauf waren", in die neue, illegale Gruppe "Sozialrevolutionäre Nationalisten" (SrN). Die SrN planten Anschläge unter anderem auf Richter, Staatsanwälte, Polizisten, Linke, Juden und Homosexuelle. Diesner habe mit besonderem Eifer potenzielle Opfer ausspioniert und entsprechende Listen zusammengestellt, sagte Hasselbach. Schließlich habe Diesner sogar Christen, Tierschützer und "Republikaner" ins Visier genommen - letztere, weil sie ihm als Rechtsextremisten zu "lasch" gewesen seien. Zu den Anschlagszielen habe auch schon das PDS-Haus in Marzahn gezählt, in dem Diesner 1997 auf Baltruschat schoss.

Diesner nahm wiederum am Prozess nicht teil. Das Urteil ist noch in diesem Jahr zu erwarten. Am 8. Dezember sollen die Plädoyers gehalten werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false