zum Hauptinhalt

Berlin: Der Fall Landowsky: "Für wie blöd hält er die Öffentlichkeit?"

Wann hat sich der Deutsche Bundestag zuletzt mit Berliner Angelegenheiten befasst? Mit dem Regierungsumzug - seit 1991 - und ganz früher mit sensiblen Statusangelegenheiten, als es noch West- und Ost-Berlin gab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wann hat sich der Deutsche Bundestag zuletzt mit Berliner Angelegenheiten befasst? Mit dem Regierungsumzug - seit 1991 - und ganz früher mit sensiblen Statusangelegenheiten, als es noch West- und Ost-Berlin gab. Da ging es um Krieg und Frieden, um das Schicksal der alten Hauptstadt und um das Schicksal der Nation. Aber eine Wahlkampfspende, die im Oktober 1995 im Vorstandszimmer einer großen Hypothekenbank mit Sitz in Berlin überreicht wurde, galt bisher nicht als klassisches Thema für eine Bundestagsdebatte. Immerhin: Der Plenarsaal im Reichstagsgebäude war am Mittwochnachmittag nicht so schlecht besetzt, als Parlaments-Vizepräsidentin Anke Fuchs die Aktuelle Stunde aufrief.

"Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt gewordener Verstöße gegen das Parteienfinanzierungsgesetz." Das war der sperrige Gegenstand einer Diskussion, an der sich hauptsächlich die Spezialisten beteiligten: Mitglieder des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur CDU-Parteispendenaffäre und Berliner Abgeordnete, die sich auskennen mit Landowsky und Diepgen und wissen, wo Zehlendorf liegt. Aber - die SPD-Fraktion schickte zuerst keinen Eingeborenen in die Bütt, sondern Christine Lambrecht aus Viernheim, an der Bergstraße. Die konnte deutlich und laut sagen, was die Berliner Genossinnen und Genossen bislang nur verschwommen und leise sagen wollten. "Klaus Landowsky", sagte Frau Lambrecht, "ist der Inbegriff des Filzes in Berlin."

Boulevard Berlin: Was die Stadt bewegt...

Die SPD-Abgeordnete fand auch gleich die Klammer zur Bundespolitik. "Die Berliner CDU, die immer so getan hat, als wäre bei ihr alles in Ordnung, unterscheidet sich in Nichts von anderen CDU-Landesverbänden und der Bundespartei." Und wie in Hessen werde auch in Berlin die Kritik an unlauteren und illegalen Parteispenden als Kampagne der Linken gegen verdiente Ehrenmänner abqualifiziert. Kohl und Landowsky, dieses Wortpaar wurde gestern mehrfach in den Mund genommen. Die SPD-Frau Lambrecht setzte wacker noch eins drauf, sprach von Diepgen und Landowsky als "ahnungslosen Stümpern", die angeblich nichts gewusst hätten von der falschen Verbuchung einer 40 000-Markspende. Sie bat die Berliner Parteifreunde sehr, "nicht einem Koalitionspartner die Stange zu halten, der nicht alles daran setzt, die Dinge aufzuklären".

Bald war klar, dass die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in schöner Rollenverteilung mit der Berliner Landes-SPD eine Breitseite gegen die CDU abschießen wollte. Ohne große Rücksicht auf die Union, die im Bund nun mal kein Koalitionspartner ist. Peter Dankert, Siegrun Klemmer und Detlef Dzembritzki durften im Verlauf der Aktuellen Stunde assistieren. Sie beklagten Landowsky "verqueres Verständnis von Politik", forderten Diepgen auf, "alles offen zu legen, was er weiß". Dankert, jetzt Brandenburg, früher tiefstes West-Berlin, sah Landowsky schon ausgezählt, kurz vor dem k.o. Den Zweck der Spende könne er nicht plausibel machen. Landowsky sage, das Geld habe mit der Kreditvergabe an die Firma Aubis, deren Chefs die Spender sind, nichts zu tun. "Für wie blöd hält er die Öffentlichkeit?" Gab es wirklich nur eine Spende und ein schwarzes Konto, fragte der ehemalige SPD-Landesvorsitzende Dzembritzki.

Die CDU ging nur halbherzig gegen den rhetorischen Großangriff vor, der von Grünen und PDS mit vollem Herzen, von der FDP halb und halb mitgetragen wurde. Rupert Scholz, der ehemalige Bundesminister unter Kohl, blieb knochentrocken, wenn auch kernig in der Aussage. "Der Sachverhalt wirft in der Tat einige Probleme auf, und es sind Gesetzesverstöße dabei." Trotzdem war für Scholz alles klar. Kein Pfennig der Spende sei für Zwecke außerhalb der Partei ausgegeben worden. Das sei entscheidend. Und weil das für den CDU-Mann so entscheidend war, schickte er gleich eine Pressemitteilung hinterher. Der Fall sei lückenlos und abschließend aufgeklärt. Alle darüber hinausgehenden Spekulationen seien haltlos.

Haltlos war für Scholz auch die Behauptung, Berliner CDU-Politiker hätten sich in der heiklen Spendenangelegenheit "strafrechtlich relevant" verhalten. Auch sei ein Zusammenhang zwischen der Kreditentscheidung zugunsten von Aubis und der Wahlkampfspende für Landwosky ausgeschlossen. Scholz forderte die Kollegen im Bundestag, die sich mit Parteispenden befassen, auf, sich auch des SPD-Kreisverbandes Zehlendorf anzunehmen. Dort gab es Unregelmäßigkeiten und veruntreute Gelder. Der SPD-Verband ging mit dem Fall kürzlich selbst an die Öffentlichkeit. 200 Falschbuchungen habe es dort gegeben, wetterte der CDU-Abgeordnete Andreas Schmidt. Und überhaupt: SPD und Grüne verfolgtem mit dieser Debatte nur das Ziel, von ihrem Desaster im Bundestag-Spendenausschuss abzulenken.

In ihrem Zorn vergaßen die beiden Unionspolitiker trotzdem nicht, mahnende Worte an die eigenen Leute zu richten. Schmidt: "Wir erwarten schnelle Aufklärung von der Berliner CDU." Scholz: "Wo es Verstöße gibt, ist ohne Ansehen der Person und der Partei aufzuklären." Christian Ströbele, der Obmann der Grünen im Spendenausschuss, legte gleich den Finger in die Wunde. Die CDU werde ihren Rechenschaftsbericht korrigieren müssen. "Das wird finanzielle Konsequenzen haben." Den Kollegen Scholz stellte sich Ströbele kurzerhand als Staatsanwalt vor. "Würden Sie auch dann keinen Zusammenhang zwischen Kedit und Spende sehen. Liegt da nicht ein dringender Verdacht vor?"

Viele Fragen wurden an diesem Nachmittag gestellt. Ernst gemeinte Fragen, rhetorische Fragen, polemische Fragen. Zum Beispiel von Petra Pau, der PDS-Abgeordneten. Wieso tauge jemand, der für seine Bank nicht mehr vertrauenswürdig sei und den Posten abgebe, noch für das Politikgeschäft? Max Stadler, der für die FDP im Bundestags-Untersuchungsausschuss sitzt, fragte nicht, regte sich auch nicht auf und traf vielleicht deshalb genau den Punkt. Es gebe zwei Grundprobleme, die im "Fall Landowsky" zutage treten: "Verfilzung auf allen Ebenen, Interessensverquickungen zwischen Wirtschaft und Politik." Außerdem führe wohl kein Weg mehr daran vorbei, "noch mehr Transparenz in die Parteienfinanzierung zu bringen."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false