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Berlin: Der ganze Mann ist Stil

Christoph Stölzl wird 60. Berlin hat ihm viel zu verdanken, auch wenn sein Ausflug in die Politik wenig erfolgreich war

Eine seltsame Unruhe scheint Christoph Stölzl in den vergangenen Jahren gespürt zu haben. An diesem Dienstag wird er 60 Jahre alt, doch in den Jahren zuvor hat er die Jobs gewechselt wie ein Unternehmensberater mit 30. Der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums war Ende 1999 Feuilletonchef der Tageszeitung „Die Welt“, wurde vier Monate später, im April 2000 Senator für Kultur- und Wissenschaft, verlor das Amt ein gutes Jahr später mit dem Sturz des letzten Senats von Eberhard Diepgen, ließ sich – bis dahin jeder Parteipolitik abhold – ein halbes Jahr später, im Mai 2002, zum CDU-Landesvorsitzenden wählen, um kurze Zeit später festzustellen, dass ihm politische Führung doch nicht so liegt.

Der folgenden Führungskrise der Berliner CDU sah er zu, als ginge sie ihn nichts an. Doch das hat Christoph Stölzls Ansehen und seiner Beliebtheit nicht geschadet. Er wirkt heute so ausgeruht und entspannt, als sei er nach ein paar irritierenden Erfahrungen wieder ganz bei sich angekommen. Reden, schreiben, charmieren, argumentieren, diskutieren, formulieren: Stölzl entfaltet seinen cappuccinohaften Geist in der Parteiarbeit und darüber hinaus, wann immer es um Kultur geht. Er ist einziges gewähltes Berliner CDU-Mitglied im Bundesvorstand, er arbeitet am neuen Berliner CDU-Programm mit und veröffentlicht dieser Tage ein Buch, das beweist, dass Stölzl zur Neuen Wache ebenso wie zu Adorno in Neukölln etwas zu sagen hat, zur Idee des Nationalmuseums genau so wie zur Qualität von Tweed-Jacketts.

Der ganze Mann ist Stil, vom Jackett bis zum Füller im Lederfutteral, mit dem er längere Texte verfasst, wenn Parteifreunde langweilen. Der Stil, der Geist, die Ambitioniertheit, die Adorno in Neukölln bemerkt, lassen Schlüsse auf den großen Abstand zwischen Stölzl und der Berliner CDU zu. Man mag aufeinander gehofft haben, doch passte man nicht zusammen. Seither macht der Hoffnungsträger des „bürgerlichen Berlins“ vorzugsweise Termin-Politik als stellvertretender Parlamentspräsident – und man kann sicher sein, dass die Stadt dabei gut aussieht.

Ohnehin hat sie ihm mehr zu verdanken, als der Blick auf Stölzls bewegte Jahre zeigt. Stölzl hat der Stadt ein großes, schönes – manche würden sagen: wunderbares – Museum geschenkt, und er hat Geschichte sichtbar gemacht mit wundervollen Ausstellungen. Es waren Ausstellungen zur deutschen Geschichte, die ohne Pathos funktionierten, die ehrlich waren und zugleich populär, die Raum für Zuneigung zur Geschichte ließen und Raum für Zweifel und Skepsis. Er selbst, der oft und gerne „ich“ sagt und sich ins Gespräch bringt, ist in der Welt der Symbole und Mythen, der Bilder und Thesen, der unerwünschten, unterdrückten und verkitschten Gefühle viel besser zurecht gekommen als in der kleinen, übersichtlichen Machtwelt der Berliner CDU. Stölzl hat den Weg zum Geschichtsmuseum der Deutschen gebahnt, mit großer, ehrlicher Zuneigung zu Berlin. Dann hat er Kulturpolitik gemacht als Miterfinder der Neuen Wache. Mitgewirkt hat er auch am Holocaust-Mahnmal. Markante Spuren sind das - und keiner weiß, was noch kommen wird.

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