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Berlin: Der Gewaltverbrecher als Abbild Gottes

Der Spandauer Pfarrer Seeger provoziert mit seinen Predigten

SONNTAGS UM ZEHN

Der Mann, der neben Jesus am Kreuz hing, muss ein gefährlicher Verbrecher gewesen sein. Dismas soll er geheißen haben, als „Schächer“ war er zum Tod durch Kreuzigung verurteilt worden: „Schächer“, das komme von „Schächten“, erläutert der evangelische Pfarrer Olaf Seeger – dieser Dismas am Kreuz hatte womöglich Menschen umgebracht, um sie berauben zu können. Aber nicht deshalb ist der Schächer noch heute ein interessanter Mann, sondern wegen eines kurzen Satzes, den er zu Jesus sagte, als beide am Sterben waren: „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Jesus antwortete: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das sei doch ein „unangenehmer Gedanke“, provozierte der Spandauer Pfarrer Olaf Seeger in der ersten seiner fünf Sommerpredigten, die sich mit den Verbrechern und dem Glauben auseinander setzen. Diesmal in der LaurentiusKirche an der Heerstraße.

Der Erste, der mit Jesus im Paradies ist, ein Schwerverbrecher – und noch dazu einer, der erst im Sterben bereut hatte? Wo bleibt das Mitleid mit den Opfern, fragt Seeger, wo ist die Wiedergutmachung, die Sühne? Der Verbrecher neben Jesus am Kreuz mitsamt seiner Begnadigung kurz vor dem Tod: Das geht mit der weltlichen Gerechtigkeit nicht gut zusammen. Hat der Schächer nicht unverdientes Glück, dass ihm so leicht verziehen wird – nach ein paar Worten, die er an Jesus richtete? Ist dieses „Jesus, gedenke an mich“ überhaupt glaubwürdig? Alles ohne Belang, argumentiert der Pfarrer, der sich an den kommenden Sonntagen weiter mit Schuld, Sühne und Verzeihung befassen will. Die Gerechtigkeit Gottes ist eine andere. Sie sieht, dass der sterbende Schächer den Willen noch hat, zu Gott und zu seiner Ordnung zurückzukehren, sagt Pfarrer Seeger. Das war ihm möglich, weil er – nach menschlichem Ermessen verloren – diesem Jesus vertraut hat, der da neben ihm hing wie ein weiterer Verlorener – einer, dem die Leute entgegengeschrien hatten, er solle gekreuzigt werden. Diesem Verlorenen vertraute der Schächer und wurde begnadigt. Was „konsequent weitergedacht“ bedeute, dass auch der Gewaltverbrecher „ein Abbild Gottes“ bleibe. Das heißt für den Pfarrer keineswegs, dass die Gesellschaft keinen Anspruch auf Schutz habe und dass es keine zeitlichen Strafen geben dürfe. Doch Dismas und seine Begnadigung sagen auch: Wer Verbrecher beurteilt, hat die Aufgabe, nach etwas Guten an ihnen zu suchen. wvb.

Kommenden Sonntag predigt Pfarrer Seeger in der Kirche Pichelsdorf, Jaczostraße 52, um zehn Uhr über König David als Verbrecher auf dem Thron.

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