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Berlin: „Der Gipfel der Perversität“

Die Nachbarn des Kannibalen-Opfers ringen um Worte

Der Briefträger findet die Geschichte einfach irre. „Hesse fraß Berliner auf“, stand gestern in den StraßenGazetten der Hauptstadt. Dazu das Foto eines leicht verwirrt blickenden Mannes mit Brille, Typ fanatischer Sammler. Nee, gekannt hat er ihn nicht, den Bernd Jürgen B., sagt der Briefträger. Die Tour macht er erst seit einem halben Jahr. „Gipfel der Perversität“, kommentiert er im Gehen. Dann fällt ihm noch was ein: „Vielleicht hat er vorher noch gesagt: Ich hab’ dich zum Fressen gern.“ Er lacht spöttisch und springt die Treppenstufen abwärts.

Bernd Jürgen B., der Mann, der sich freiwillig das Geschlechtsteil entfernen ließ, es mit seinem Freund verspeiste und dann von ihm erstochen und teilweise aufgegessen wurde. Sie habe ihn schon gekannt, sagt Frau J. Ein stiller, freundlicher Nachbar sei er gewesen. Gegrüßt habe man sich, aber nicht miteinander gesprochen. „Furchtbar ist das, was soll ich sagen?“ Sie tippt mit den Fingern an die Lippen, überlegt, was man dazu sagen kann. Ein wenig peinlich sei ihr das alles, wegen der vielen Fernsehreporter, die jetzt durchs Haus stürmen. Ins Fernsehen möchte sie auf keinen Fall. Sie fasst sich an den Pullover, in die Haare. „Ich bin ja gerade bei der Hausarbeit.“ Und so richtig habe sie sich mit dem Fall noch nicht beschäftigt. „Angenehm ist das nicht“, entschuldigt sie sich.

Einen Stock höher öffnet ein älteres Ehepaar die Tür. Elisabeth und Joachim H. haben weniger Scheu vor der Presse. Man könne ja auch nichts Schlechtes sagen über den Herrn B., im Gegenteil, sagt die grauhaarige Frau im weißen Kittel. Sie spricht deutlich und ruhig in die Kamera der Fernsehleute. „Es ist traurig, aber man kann es ja nicht ändern.“ Um Herrn B. tut es Familie H. ehrlich Leid. Als er vor anderthalb Jahren verschwand, dachten sie, er sei in Urlaub gefahren. Später kam dann die Polizei. Sie durchsuchte die Wohnung und den Keller. Spätestens in dem Moment war ihnen klar, dass mit dem stillen und freundlichen Herrn von nebenan irgendetwas nicht stimmte.

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