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Demonstranten gingen am Mittwoch in Berlin für die Forderungen der Flüchtlinge vom Kreuzberger Flüchtlingscamp auf die Straße. Die Unterstützer und Sympathisanten der Flüchtlingsgruppen vom Oranienplatz haben erneut für eine andere Asylpolitik demonstriert.

© dpa

Der Innensenator und die Flüchtlinge: Wowereit unterstützt Henkels Ultimatum

Innensenator Frank Henkel bleibt bei der gesetzten Frist: Bis zum 16. Dezember soll das Camp am Oranienplatz verschwunden sein. Nun schaltet sich erstmals auch Klaus Wowereit ein – und Bezirksbürgermeisterin Herrmann wehrt sich weiter gegen eine Räumung.

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In den Konflikt um das Camp auf dem Oranienplatz hat sich erstmals der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eingeschaltet. Es handele sich dort um einen „rechtswidrigen Zustand, der beendet werden muss“, sagte er am Donnerstag – das aber möglichst auf kooperativem Wege, im Dialog mit den Beteiligten. Innensenator Frank Henkel (CDU) machte deutlich, dass er von seiner Forderung an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg keinesfalls abrückt: Das Camp auf dem Oranienplatz solle bis zum 16. Dezember geräumt werden. Der Bezirk lehnt dies bisher strikt ab.

Das Zeltlager sei rechtswidrig und werde auch vom Bezirk nicht mehr geduldet, steht in einem Schreiben der Innenbehörde an Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Und weiter: „Als Bezirksaufsichtsbehörde habe ich sicherzustellen, dass die Rechtmäßigkeit der Verwaltung gewahrt bleibt.“ Medienberichte, nach denen Henkel sein Ultimatum zurückgezogen oder aufgeweicht habe, interpretierten diesen Brief falsch, verlautete aus der Umgebung des Innensenators. „Nichts wurde entschärft, der Senat hält den Druck auf den Bezirk aufrecht“, sagte ein Vertrauter.

CDU-Innenexperte: Ultimatum richtiges Signal

Dies hat sich wohl auch bis zur Bürgermeisterin herumgesprochen, denn Herrmann tat per Twitter ihren Unmut kund. „Rein in die Pantoffeln, raus aus den Pantoffeln, aber mir wirft man Chaos vor“, kritisierte die Grünen-Politikerin den Innensenator und CDU-Landeschef, der von der eigenen Partei kräftige Rückendeckung erhielt. „Das Ultimatum, das Camp bis zum 16. Dezember aufzulösen, ist das richtige Signal“, sagte Robbin Juhnke, Innenexperte der CDU im Abgeordnetenhaus. Herrmann solle die Frist ernstnehmen und die angebotene Amtshilfe der Polizei annehmen.

Selbst der traditionell linke SPD-Verband Friedrichshain-Kreuzberg forderte Herrmann auf, den von ihr angekündigten Abbau der Schlafzelte „in die Realität umzusetzen“. Sie müsse schnellstmöglich aufklären, was die nächsten Schritte seien. Lediglich die Jusos wiesen das Henkel-Ultimatum „entschieden zurück“ und verwiesen auf die Demonstrationsfreiheit, die auch für Flüchtlinge gelte.

Dies sieht die Innenverwaltung anders. Das „Camp der Karawane der Flüchtlinge“ könne das Versammlungsrecht nicht für sich in Anspruch nehmen, heißt es in dem Brief ans Bezirksamt. Rechtlich gesehen stehe dort nicht die gemeinschaftliche Meinungsäußerung im Vordergrund, sondern es handele sich um einen Wohnort. Dies sei kein symbolisches Lager, sondern ein „echtes Camp“ mit Zelten, Tischen, Bänken, Koch- und Versorgungsinstallationen.

Die Innenbehörde, die die Aufsicht über alle Bezirke hat, sieht in dem Camp einen Verstoß gegen das Grünanlagengesetz. Die Nutzung des Areals über den „Gemeingebrauch“ hinaus bedürfe der Genehmigung. Die könne nur erteilt werden, wenn „das überwiegende Interesse dies erfordert und die Folgenbeseitigung gesichert ist“. Beides sei hier nicht der Fall. Außerdem sei eine Sondernutzung nicht beantragt worden. „Ich fordere Sie auf, den festgestellten Rechtsverstoß bis spätestens 16. Dezember zu beseitigen“, endet der Brief.

Senatskreise: Keine Räumung am Oranienplatz vor Weihnachten

Vorsorglich wurde die Bezirksbürgermeisterin darauf hingewiesen, dass ein „möglicherweise zu verbleibendes Infozelt einer Sondernutzungsgenehmigung bedarf“. Herrmann wirbt nun um eine Landeskommission oder einen Runden Tisch, um die Situation zu entschärfen. Sollte die von Henkel gesetzte Frist ungenutzt verstreichen, muss die Innenverwaltung einen Senatsbeschluss herbeiführen, mit dem der Bezirk noch einmal aufgefordert wird, das Camp aufzulösen, und mit dem gleichzeitig angedroht wird, dass der Senat auf dem Weg der „Ersatzvornahme“ selbst tätig wird. Zu einer polizeilichen Räumung, so hieß es in Senatskreisen, werde es vor Weihnachten voraussichtlich nicht mehr kommen.

Monika Herrmann selbst setzt weiter auf Einsicht bei den Flüchtlingen und deren Unterstützern. „Wenn Henkel räumen lässt, dann habe ich Sorge, dass der Widerstand eine Größenordnung annimmt, die wir nicht wollen“, sagte Herrmann dem Tagesspiegel. Ihre Strategie sei es, gemeinsam mit den Flüchtlingen den Abbau der Zelte zu erreichen, wie es verabredet war. „Ich will nicht, dass es hier dermaßen eskaliert.“ Das sei auch der Grund gewesen, warum sie den von ihr veranlassten Abbau der Zelte am Sonntag habe abbrechen lassen. „Wir wussten, dass wir schnell sein mussten“, sagte Herrmann. Aber sie seien nicht schnell genug gewesen. Kaum waren die Bewohner des Oranienplatzes Richtung Wedding abgefahren, bemächtigten sich andere Personen der Zelte. „Die Leute einfach rauszuholen, wäre nicht gegangen. Was meinen Sie, was dann los gewesen wäre?“

Grüne im Abgeordnetenhaus: Herrmann steht für einen humanitären Akt

Unterstützer hat die Bürgermeisterin allerdings in der eigenen Partei: Heiko Thomas, der im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, sagte: „Sie hat das Problem geerbt.“ Der Oranienplatz ist seit Herbst 2012 besetzt. Damals hatte Herrmann ihr Amt noch nicht von Vorgänger Franz Schulz übernommen. Nicht räumen zu lassen sei ein humanitärer Akt, zu dem Herrmann eben auch jetzt stünde, sagte Thomas.

Ähnlich äußerte sich Dirk Behrendt, Rechtsexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus. Herrmann sei eben nicht überfordert, sondern wäge die Forderungen von Flüchtlingshelfern und Räumungsbefürwortern gegeneinander ab. Vielleicht beschreite sie so ja den Pfad der Vernunft, sagte Behrendt.

Ganz anders sieht das naturgemäß die CDU. Generalsekretär Kai Wegner sagte mit Blick auf das Camp, es sei inakzeptabel, dass mit „illegalen Manövern“ die Rechtslage ausgehöhlt werde. „In Deutschland haben sich alle an Recht und Gesetz zu halten.“

Zum Selberlesen: Laden Sie hier den Brief von Staatssekretär Krömer an Monika Herrmann herunter.

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