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Berlin: Der irritierende Bürgermeister

Stark im Smalltalk, schwach am Rednerpult – Klaus Wowereit hat ein Problem

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die hoch angesehene „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb gestern über Klaus Wowereit, dass er sich „lieber als Fremdenführer für Filmstars betätigt, als sich mit der Vergangenheit seiner Stadt zu beschäftigen“. Und die ehrbare „Frankenpost“, sicherlich kein Organ des Berliner Lifestyles, titelte am vergangenen Wochenende: „Tanzen und knutschen für die deutsche Hauptstadt“. Gemeint war der Regierende Bürgermeister, über dessen schillernde Außenwirkung sich allmählich auch die SPD Gedanken macht.

Neuen Anlass zur Sorge gab der Auftritt Wowereits in Bangkok, wo er – im beigen Sommeranzug und rosa Krawatte – vor Top-Managern, dem thailändischen Ministerpräsidenten und dem Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement eine belanglose Rede hielt, die teilweise auch noch am Thema vorbeiging. Darüber berichtete prompt der „Spiegel“. Um die öffentliche Wahrnehmung seiner Person muss Wowereit wahrhaftig nicht kämpfen. Er ist mächtig stolz darauf, dass ihn so viele Politiker und Künstler in aller Welt kennen. Die Frage ist nur, wie sie ihn wahrnehmen.

Momentan pusht der Regierende offenbar das Bild vom „Bruder Leichtfuß“. Keinen Ton hat er bis heute zu den Fotos gesagt, die ihn während der Aids-Gala zu fortgeschrittener Stunde zeigten, als er die TV-Entertainerin Desirée Nick innig küsste. Geärgert habe er sich schon, so hört man. Aber wohl eher über jene Fotografen, die lebenslustige Prominente auch nach Mitternacht nicht in Ruhe feiern lassen. „Wowi ist halt ’ne richtige Type“, geben Parteifreunde als Erklärung zu Protokoll. Sie tun das mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Untypisch für Wowereit ist es allerdings, dass er sich, wie in Thailand, bei der Auswahl seiner Anzüge vergreift. Normalerweise hat er einen treffsicheren Geschmack und Protokollchef Christian Stocks muss dem Regierenden nicht mehr beibringen, welche Garderobe zu welchem Anlass gehört. In diesem Fall wäre es eindeutig der dunkle Anzug gewesen. Offenbar hat er die Kleidung seiner sonnig-fröhlichen Laune angepasst und hatte das Grußwort nicht richtig ernst genommen. Immerhin war Wowereit als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz unterwegs; auf Einladung der deutschen Wirtschaft.

Eine wichtige Mission. Dass es nicht zu Wowereits Lieblingsbeschäftigungen gehört, Reden zu halten, ändert daran nichts. Selbst auf SPD-Parteitagen schweigt er lieber und erweckt den Eindruck, dass ihm der „Parteikram“ lästig ist. Auch auf Auslandsreisen haspelt er Pflichttexte oft lustlos herunter, um sich dann auf seine Stärke zu besinnen: den Smalltalk. Da entwickelt er Ausstrahlung. Da kann er unwiderstehlich oder – wenn es sein muss – unausstehlich sein. Was aber auch die eigenen Genossen an Wowereit zunehmend vermissen, sind schwergewichtige öffentliche Äußerungen. Ihm fehle ein Gegenpart, der auf gleicher Augenhöhe Paroli bietet, wird gemunkelt. Die Opposition hat so etwas momentan nicht zu bieten. Und so kann Wowereit machen, was er will – und bleibt trotzdem der bekannteste und beliebteste Politiker in Berlin.

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