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Berlin: Der Job-Motor stottert noch

Die Personal-Service-Agenturen kommen nur langsam auf Touren. Immerhin fanden in Berlin einige Dutzend Arbeitslose durch Leihverträge eine Festanstellung

Jetzt sitzen sie beide am Tisch und sollen was sagen. Marco Kelmer*, 24 Jahre, Maler-Lackierer gelernt, dann arbeitslos. Und Christian Handelmann*, 38 Jahre, Heizungsinstallateur, 20 Jahre bei der gleichen Firma, dann arbeitslos. Zu alt für den Arbeitsmarkt, sagt Handelmann und schluckt den Ansatz eines Lächelns herunter. Er wirkt verbittert, macht Zynikerwitze: Ich sehe Licht am Ende des Tunnels – wenn ich mich umgucke. Dann das Dementi: Nein, er habe gar nicht resigniert, sehe durchaus Chancen für sich, würde auch was anderes machen, „wenn der Preis stimmt“. Auch Marco Kelmer will schon gar nicht mehr als Maler-Lackierer arbeiten. Er würde alles machen, „solange das mit dem Geld stimmt“.

Eigentlich haben sie beide schon einen Job, Kelmer und Handelmann. Für neun Monate sind sie bei der Personal-Service-Agentur (PSA) der bbw-Dienstleistungsgesellschaft angestellt. Die PSA leiht sie für ein paar Tage oder einige Wochen an Unternehmen aus, mit dem Ziel, dass sie irgendwann irgendwo eine Festanstellung finden, also „kleben“ bleiben. Das ist dann der viel beschworene Klebeeffekt, der helfen soll, die Arbeitslosigkeit zu senken. Nur leider blieben berlinweit zunächst nur zwei PSA-Mitarbeiter kleben – von mehr als 700. Die PSA also nur ein weiterer Versuch, die Arbeitslosenstatistik zu schönen?

Marco Kelmer und Christian Handelmann sind noch nicht lange dabei. Ob ihnen die PSA weiterhilft? Handelmann sieht eine 40-prozentige Chance. Immerhin. Die Bezahlung ist nicht üppig, aber man kommt erstmal über die Runden. Bei Marco Kelmer ist das Geld am Ende des Monats trotzdem weg. Kein Sprit mehr im Auto. Dabei muss er jetzt nach Zehlendorf zu einer Gebäudereinigungsfirma. Dort überbrücken sie mit einigen Leuten von der PSA den „Einstellungsstopp“. „Vielleicht ist später auch eine Festanstellung drin“, sagt PSA-Chefin Petra Kühnel. So sei das mit dem Unternehmen besprochen. Das unterscheidet die PSA von den klassischen Zeitarbeitsfirmen, die es gar nicht gerne sehen, wenn ihre besten Leute in eine Festanstellung abgeworben werden.

Jede Personal-Service-Agentur muss nach einer Anlaufphase mindestens 70 Arbeitslose einstellen. Für jeden erhält sie eine Monatspauschale zwischen 900 und 1300 Euro vom Arbeitsamt. Nach drei Monaten sinkt die Pauschale um 25 Prozent, nach weiteren drei Monaten wieder um 25 Prozent. Für jede Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gibt es eine Monatspauschale als Prämie. Nach neun Monaten läuft der Arbeitsvertrag aus. Was dann mit den PSA-Leuten passiert, die nicht vermittelt wurden, ist noch offen. Theoretisch fallen sie quasi ans Arbeitsamt zurück.

Die traurig-klägliche Zahl von zwei Klebeeffekten stammt aus dem Juli. Inzwischen meldet die holländische Firma Maatwerk, die allein 19 der 35 Berliner PSA unterhält, 32 Vermittlungen. Bei der PSA der bbw sind es sechs. Zudem seien rund 40 von 71 Angestellten derzeit ausgeliehen, sagt Teamleiterin Petra Kühnel. „In den ersten drei Monaten seit Gründung Anfang Mai waren wir ja nur mit der Auswahl der Bewerber beschäftigt.“ 350 Gespräche wurden geführt, um letztlich 71 Leute einzustellen. „Das ging bis zum Herzausschütten. Viele waren froh, überhaupt mal lange reden zu dürfen.“ Andere kamen mit einer Wermutfahne und durften gleich wieder gehen.

Erst jetzt habe man mit der „Akquise“ begonnen, so Frau Kühnel. Potenzielle Kunden kontakten, also Firmen, die vielleicht jemanden brauchen könnten. Die Reaktionen auf das Angebot der PSA seien eher „durchwachsen“. Da müsse man viel aufklären und Vorbehalte abbauen.

Beim Umzugsunternehmen Plischka rannte Kühnel allerdings offene Türen ein. Inzwischen werden zehn PSA-Leute immer wieder tageweise oder wochenweise ausgeliehen, um „Saisonspitzen“ abzudecken. Der finanzielle Vorteil gegenüber den klassischen Leiharbeitern sei dabei zu vernachlässigen, sagt Inhaber Matthias Schirmann. Wichtiger ist ihm, dass er die Leute nach Belieben testen und abwerben kann, wenn er denn möchte. Die PSA nimmt ihm quasi die gesamte Personalrekrutierung ab. Tagelöhner vom Arbeitsamt lässt er sich wegen schlechter Erfahrungen schon lange nicht mehr vermitteln. Dabei sind die Anforderungen als Helfer in der Umzugskolonne nicht sehr hoch. „Pünktlich da sein und kein Restalkohol im Blut.“ Der Kolonnenführer meldet dann zurück, wer richtig mitzieht und wer eher den leichteren Kartons zuneigt. Von den zehn PSA-Leuten hätten immerhin vier das Prädikat erhalten: festanstellungstauglich.

* Namen geändert

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