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Berlin: „Der Kampf ist noch nicht gewonnen“

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit über die Diskriminierung von Homosexuellen im Alltag, den Wert der Gay Games für Berlin und den Christopher Street Day als Volksbewegung.

Vor zwei Jahren haben Sie sich als erster deutscher Politiker geoutet. Wie bewerten Sie den Schritt heute?

Das war genau richtig. Aber ich wünsche mir noch heute eigentlich einen Zustand, wo das kein Thema ist. Dass es jedoch noch nicht so ist, sieht man an Fragen, die mir gestellt werden. Ich werde bis heute anders behandelt als ein heterosexueller Ministerpräsident.

Nennen Sie ein Beispiel, bitte.

Es gab da eine Schlagzeile in der BildZeitung…

…zu Bildern, die Sie mit Sabine Christiansen zeigten, eng tanzend…

…genau, und das Blatt fragte: Kann Sie ihn umdrehen? Das war natürlich besonders peinlich, nicht für mich, sondern für die, die diese Schlagzeile gemacht haben. Daran merkt man, dass das Thema noch eine Rolle spielt

Ist Homosexualität ein Karrierehemmnis?

Muss es nicht sein, kann es aber sein. Für Politiker gilt das Gleiche wie in jedem anderen Beruf. Nach wie vor gibt es Befürchtungen, dass man Nachteile hat, vielleicht keine Karriere macht. Das ist zwar oft subjektiv, aber die Erfahrungen, die zu diesem Empfinden geführt haben, sind objektiv. Ob jemand meinen Schritt nachvollzieht, muss jeder für sich entscheiden. Ich werde keine Ratschläge erteilen. Das ist auch eine Generationsfrage. Jüngere haben es einfacher, Ältere werden Schwierigkeiten haben, auch, weil sie in einer anderen Gesellschaft aufgewachsen sind. In bestimmten Parteien ist es offensichtlich immer noch ein Problem.

Sie wollten explizit kein Schwulenpolitiker sein. Sie engagieren sich aber immer öfter für Homosexuelle. Wie kommt’s?

Was die Zahl der Auftritte bei Veranstaltungen angeht, engagiere ich mich nicht öfter als bisher. Seit meinem Amtsantritt habe ich beim Christopher Street Day geredet, diesmal – und das ist dem Jubiläum geschuldet – werde ich ihn auch eröffnen. Beim lesbisch-schwulen Stadtfest war ich letztes Jahr Talk-Gast, diesmal habe ich es eröffnet, und seit meinem Amtsantritt hisse ich die Regenbogenfahne am Roten Rathaus. Neu war in diesem Jahr meine Teilnahme am Equality Forum in Philadelphia. Bei meinen Auftritten zum Bundestagswahlkampf habe ich jedoch die Gleichstellung zum zentralen Thema gemacht. Das kann ich als sozialdemokratischer Politiker eher tun als jemand aus anderen Parteien.

Und Sie gehen heute gelassener, selbstbewusster mit dem Thema um.

Das liegt auch daran, dass es am Anfang eine Fokussierung auf das Thema gab. Ich wollte mich zunächst nicht auf bestimmte Themen festlegen lassen. Nachdem aber das Interesse zu diesem Nebenaspekt, nämlich meiner sexuellen Orientierung, nachgelassen hat, habe ich auch andere Spielräume.

Wie wird im politischen Alltag mit Ihnen umgegangen?

Das ist sehr entspannt, aber es gibt auch unsägliche Äußerungen konservativer Politiker, die meinen, bei passenden oder unpassenden Gelegenheiten irgendwelche Anspielungen zu machen. Es gibt noch immer Kollegen, die damit ein Problem haben.

Was gibt es beim 25. Christopher Street Day noch zu erreichen?

Es ist zwar viel geschafft, die eingetragene Lebenspartnerschaft ist zum Beispiel ein Meilenstein, aber es gibt noch viel zu tun. Bei aller Toleranz darf man nicht vergessen, dass es noch immer tagtäglich Ausgrenzung und Diskriminierung von Lesben und Schwulen und auch Überfälle gibt. Das macht klar, dass der Kampf noch nicht gewonnen ist.

Was kann der Regierende Bürgermeister dazu beitragen?

Bei den Gesetzen gibt es auch noch viel zu regeln, beim Adoptionsrecht etwa, oder bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft, die keine Gleichstellung mit der Ehe ist…

…auch ein Antidiskriminierungsgesetz?

Da bin ich vorsichtig, weil man das per Gesetz nicht automatisch regeln kann. Aber auch das ist in der Diskussion. Leider haben wir im Bundesrat derzeit ja nicht eine Mehrheit, die Verbesserungen in dieser Legislaturperiode noch möglich macht. Aber daneben trete ich für eine offene Gesellschaft ein, die Minderheiten akzeptiert und anerkennt, dass Menschen eine andere Lebensweise haben. Wir müssen friedlich in einer multikulturellen Gesellschaft leben.

Werden Sie diskriminiert?

Ja, auch das kommt vor. Ich bin zwar privilegiert, deshalb kann man mich nicht so leicht diskriminieren, aber ich bekomme durchaus Schmähbriefe und weiß, dass bei bestimmten Veranstaltungen hinter meinem Rücken oder auch als Zurufe diskriminierende Äußerungen gemacht werden. Es trifft mich persönlich nicht, weil ich einen in dieser Hinsicht dicken Panzer habe, ist aber verheerend, weil ich mir ausmalen kann, wie es Menschen ergeht, die nicht so robust sind.

Dass Sie zum Equality Forum in die USA gefahren sind, und am 1. Mai nicht in Berlin waren, haben Ihnen Gewerkschafter übel genommen.

Im Wesentlichen nur eine Gewerkschaft und zwar die Gewerkschaft der Polizei. Die Reise war aber kein Affront gegen die Gewerkschaften.

Warum war die Reise so wichtig?

Ich empfand es als Ehre, als deutscher Politiker auf dem wichtigsten amerikanischen Gleichstellungsforum eingeladen zu werden und Deutschland und Berlin zu vertreten und zu bewerben.

Werben wofür?

Für Berlin als internationale, weltoffene Metropole und natürlich auch für Homo- Touristen. Ich freue mich, dass unabhängig von meiner Reise die Berlin Tourismus Marketing „gay travel“ für sich entdeckt hat und gezielt um diese Touristen wirbt.

Deshalb auch die Bewerbung Berlins um die Gay Games 2010?

Das ist eine Großveranstaltung von einer Kategorie, wie Berlin sie braucht. Das gilt auch für die Leichtathletik-WM oder die Beachvolleyball-WM. Die Gay Games sind weltweit eine der größten Veranstaltungen mit sehr internationalem Charakter. Wir werden jedoch eine harte Konkurrenz um die Spiele haben. Deshalb kümmere ich mich selber darum, denn mein berühmter Satz ist zu meiner eigenen Überraschung in allen Winkeln der Welt bekannt. Das ist eine Bekanntheit, die man nutzen kann.

Wie begegnet man Ihnen in Ländern, in denen Homosexualität verboten ist?

Bis jetzt unverkrampft. Ich hab dort die Gelegenheit, durch Interviews in ausländischen Medien, etwas in Sachen Gleichstellung zu transportieren.

Der Christopher Street Day ist immer größer geworden. Mittlerweile nehmen nicht mehr nur Homosexuelle daran teil…

…und das ist grandios. Beim ersten Mal waren es nur 400 Teilnehmer, und viele, die mitdemonstrieren wollten, haben sich nicht getraut, weil sie Repressalien fürchteten und standen bestenfalls am Rand. Heute erwarten wir 600 000 Menschen und das macht ja schon klar, dass dies also keine Zielgruppenveranstaltung mehr ist, sondern eine Volksbewegung.

Das Interview führten Gerd Nowakowski und Matthias Oloew.

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