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Berlin: Der Kampf Mann gegen Telefon

Sammler aus aller Welt boten bei der Auktion der Villa Grisebach Höchstpreise. Die meisten blieben anonym

Das Telefon bietet für den Nolde 520 000 Euro. Der ältere Herr im karierten Sakko, 13. Reihe, knetet sein Ohrläppchen. Das Saalgemurmel hat sich der Stille ergeben. In den ersten Reihen, wo die Profihändler sitzen, nimmt jemand das Duell mit dem Telefon auf. 600 000, 620 000, 650 000. Bei 740 000 schweigt das Telefon. Auktionator Peter Graf zu Eltz hebt die linke Hand mit dem Hämmerchen. Da meldet sich das karierte Sakko, 13. Reihe, überraschend zu Wort. „Is ja ’ne Menge Geld, nä.“ Gekicher in den hinteren Reihen. Dann klackt das Hämmerchen. Emil Noldes „Sommerglut“ geht für eine Rekordsumme an einen norddeutschen Sammler.

Die NoldeVersteigerung ist der Höhepunkt der Herbstauktionen in der Villa Grisebach. Es läuft sehr gut in diesem Jahr. Am Ende der Hauptauktion vom Sonnabend sind 90 Kunstwerke für 8,25 Millionen Euro verkauft, etwa zwei Millionen mehr als erwartet. „Eine der besten Auktionen, die wir jemals hatten“, sagt Grisebach-Chef Bernd Schultz. Die internationale Händlerfamilie kommt immer häufiger nach Berlin, um Kunst einzukaufen. Namen wie Beckmann, Jawlensky, Picasso, Feininger, Schmidt-Rottluff und Pechstein sind im Angebot. Bei der gestrigen Auktion mit Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts wechselten nochmals rund 400 Werke den Besitzer.

Der Auktionssaal in der Grisebach-Villa hat den Charme einer überfüllten Wartehalle. Die Stuhlreihen sind eng gestellt. Deckenstrahler fluten taghelles Licht bis in die Ecken. Ein Lüftungsschlauch hängt über den Köpfen. Zwei Pagen mit Handschuhen und Kittelschürze tragen die Gemälde herein, aber für den Anblick der einzigartigen Originale, bis vor kurzem noch in Privatvillen versteckt, interessiert sich in diesem Moment niemand, am wenigsten Auktionator Graf zu Eltz: „Losnummer 16. Max Liebermann. Strandbild mit spielenden Kindern.“ Das Verschachern beginnt. Eine Kunstauktion unterscheidet sich nicht wesentlich von einer Fleischauktion.

Nur die Sache mit den vielen Telefonen dürfte einen Auktionator von Schweinehälften etwas irritieren. Vier Damen sitzen auf dem Podium und übermitteln die Gebote von Sammlern aus New York, Tokio oder Paris. Auch im Publikum düdeln die Mobiltelefone. Gelegentlich bricht ein dumpfes „Gebot“ über Lautsprecher in den Saal ein. Das ist die Mitarbeiterin aus der 4. Etage. Dort wird das Geschehen per Video übertragen.

Am anderen Ende der Telefone hängen sehr reiche Leute, versichert Schultz. Namen darf er nicht sagen. Kaum ein potenter Sammler kommt persönlich zu einer Auktion. Wer nicht telefonieren mag, beauftragt einen Händler oder reicht ein schriftliches Angebot ein. An Prominenz ist nur Moderator Günther Jauch zu sehen. Er trägt dunkle Jeans und einen gerippten Pullover. Die älteren Herrschaften, klar in der Mehrheit, sind dagegen durchweg in edlem Tuch erschienen. Graf zu Eltz treibt die Bieter vor sich her. Wenn einer zögert, kann er sehr fordernd werden: „Krieg ich 16-5 von Ihnen?“ Kriegt er, doch das Telefon legt nochmal 500 drauf. Den Zweikampf Mann gegen Telefon gewinnt meistens das Telefon.

Für das karierte Sakko, Reihe 13, geht es partout zu schnell voran. Er bietet mit, steigt dann wieder aus und verliert den Anschluss. „War’s das?“ Dann hebt er wieder seine Bieterkarte für die „Allee mit Droschken“ von Lesser Ury. 86 000 Euro würde er geben, doch sein Gegner legt noch tausend Euro drauf. Graf zu Eltz spricht ihn jetzt direkt an. „Sagen Sie 88?“ Er schüttelt den Kopf und sackt ein wenig in sich zusammen. „87 000 sind geboten – zum Ersten, zum Zweiten – letzte Chance“ – das Sakko reagiert nicht – „zum Dritten“. Verloren.

Weiter geht’s mit hohem Tempo. Die Gebote stürmen von allen Seiten auf Graf zu Eltz ein – „11 000 hier bei mir, 11-5 am Telefon, 12 oberer Saal, 12-5 hier vorn, 13 der Herr am Gang, 13-5 dahinten der Herr, nein, die Dame, Ladys first…“ Das Getuschel und Gemurmel wird lauter. Leute gehen, Leute kommen. Bernd Schultz dreht sich um, mahnt beschwörend „Schschtt“. Als es nichts nützt, wirft er ein kaum hörbares „Quasselbude“ hinterher. Für aristokratische Etikette und Benimm ist der Erregungsgrad zu hoch. Bei einer früheren Versteigerung wurde im Eifer mal ein Fernsehgerät umgeworfen. „Fast wäre jemand erschlagen worden“, erzählt Schultz. Die Auktion ging natürlich weiter. Für Erste Hilfe stehen im Vorraum zwei Sanitäter vom Malteser Hilfsdienst bereit.

Zum Schluss wird Gerhard Richters „Grün – Blau – Rot“ aufgerufen, aber keiner will mehr als 40 000 Euro dafür geben. Das Spiel ist aus, die Lust ist raus. Das Geld sitzt wieder fest.

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