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Berlin: Der Kater kommt nicht vom Alkohol. Kopfschmerz-Koryphäe gibt schlechter Luft die Schuld

Prost! Berlin lässt Korken knallen und Gläser klirren.

Prost! Berlin lässt Korken knallen und Gläser klirren. Manch einer besteigt schon am Nachmittag das Cocktail-Karussell und rast mit hoher Umdrehungszahl ins neue Jahrtausend. Andere schwelgen in Erinnerungen und trinken sich, fruchtigen Rotwein im Glas, durch halb Südeuropa. Doch die Reise endet weder an der Loire noch in der Toskana, sondern daheim im Bett. Hoffentlich. Und das Erwachen ist böse: "Nur ein winziges Schlückchen", ja, wenn es denn dabei geblieben wäre. Die Party ist vorbei, die Freunde Richtung Taxistand entschwunden, und das vernebelte Ego bleibt mit dem Weingeist alleine. Dessen Fratze pflegt am Neujahrsmorgen besonders hämisch zu grinsen, und Fachwissen ist gefragt, um ihn in seine Flasche zurückzukorken. Erste Analysestufe: klopft es, zieht es oder ist der Schmerz eher dumpf?

Doch jetzt die gute Nachricht: Prof. Dr. Gunther Haag, der als Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft an vorderster Front gegen den Dickschädel kämpft, hat herausgefunden, dass Alkohol zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Man habe Probanden reinen Ethylalkohol in jener Menge verpasst, die - als Bier oder Wein konsumiert - im Allgemeinen für schlimmste Kopfschmerzen verantwortlich gemacht wird. Ergebnis: die Versuchskaninchen waren am Morgen danach kopfschmerzfrei. Professor Haag vermutet darum, dass der Kater aus einer Kombination von "schlechter Luft, Nikotin, Bewegungsmangel sowie einem veränderten Schlaf-Wach-Rhythmus" entsteht. An diese Faktoren sollte bereits während des Konsums gedacht werden.

Ein weiterer gut gemeinter Ratschlag des Wissenschaftlers lautet: "Die Quantität vermindern" - nicht der gesamte im Kühlschrank gebunkerte Vorrat muss unbedingt gegen den Silvesterdurst zum Einsatz kommen. Wer trotzdem nicht auf die mahnende Stimme der Wissenschaft hören will, sollte sich zumindest auf eine Sorte alkoholhaltigen Getränks beschränken. Denn ein kunterbuntes Potpourri aus spanischem Rioja, Cuba Libre und Berliner Kindl kann nicht nur eine Rebellion des Magens provozieren, sondern macht sich am Morgen auch als nervtötendes Pochen im Kopf bemerkbar.

Die fachgerechte Nachbehandlung sollte mit einer kombinierten Frischluft-, Mineralwasser- und Rollmops-Therapie erfolgen, rät Experte Haag. Sie könne durch Aspirin medikamentös ergänzt werden, vorzugsweise in Form von Kau- oder Brausetabletten. Darüber hinaus habe die empirische Erfahrung gezeigt, dass auch eine Prophylaxe - die Einnahme von ein bis zwei Tabletten vor dem Schlafengehen - zu guten Therapieerfolgen führe. Aus wissenschaftlicher Perspektive unseriös sei jedoch die "nicht belegte Volksweisheit", dass der Schmerz am besten durch weitere Zufuhr von alkoholischen Getränken zu behandeln sei: "Wahrscheinlich Unsinn", urteilt der Forscher, der heute übrigens selbst dem Wein zusprechen wird - "allerdings nur in einer die Fröhlichkeit unterstützenden Menge". Zum Selbstversuch dürfte der Abend bei Professor Haag also nicht ausarten.

Johannes Metzler

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