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Berlin: Der Kultursenator - das unbekannte Wesen

Kultur kommt immer zuletzt. Das zeigt sich auch diesmal bei der Bildung des Senats.

Kultur kommt immer zuletzt. Das zeigt sich auch diesmal bei der Bildung des Senats. Kultur sei für Berlin von höchster Bedeutung, ein Zukunftressort, ein Pfund, mit dem diese Stadt wuchern müsse, beteuern die Parteistrategen, und dann kippt dieses Thema sang- und klanglos in den Orkus. Die Hauptstadt will eine internationale Kulturmetropole sein - doch die Suche nach einem neuen Kultursenator entwickelt sich zum absurden Versteckspiel.

Sicher ist nach dem Verhandlungsmarathon, dass die CDU den Posten besetzen wird und dass es sich um ein klassisch geformtes Doppelressort Kultur und Wissenschaft handeln soll. Weiter ist einigermaßen verlässlich nur zu berichten, wer dieses Amt nicht haben will. Uwe Lehmann-Brauns, der kulturpolitische Sprecher der CDU, hat abgewunken, da er wohl selbst um die Aussichtslosigkeit einer Bewerbung weiß. Auch die CDU-Politikerin Monika Grütters, der anfangs gute Chancen eingeräumt wurden, will partout nicht Senatorin werden. Auszuschließen ist aber nicht, dass Grütters nicht doch in nächtlichen Klausuren bekniet werden könnte, ihre Haltung zu überdenken.

Nichts scheint unmöglich. Der konservative Flügel "Union 2000" hat ernsthaft Christoph Stölzl wieder ins Gespräch gebracht, den scheidenden Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums Berlin, der zur "Welt" wechselt. Stölzl hat vielfältige Eigenschaften, aber eine nicht: Er ist nicht das, was sich ein CDU-Delegierter unter einem gestandenen CDU-Mann vorstellt. Spätestens auf dem Parteitag am 6. Dezember müssen die Kandidaten vorgestellt und abgesegnet werden. Wie man auch hört, wird für das Amt des Kultursenators jetzt eine "100-prozentige CDU-Lösung" angestrebt. Doch eine geeignete Persönlichkeit existiert nicht in der Berliner CDU.

Mit dem Vorschlag Stölzl verbessert die "Union 2000" ungewollt die Aussichten für Wolf Lepenies - für die Wahl eines unabhängigen Kandidaten außerhalb des Parteienklüngels. Der Rektor des Berliner Wissenschaftskollegs ist politisch eher auf der Linken zuhause. Für Lepenies hat sich bereits der Rat für die Künste ausgesprochen. Mit seinem Namen verbinden zahlreiche Künstler und Intellektuelle die Hoffnung, dass Berlin endlich eine vorzeigbare Persönlichkeit an der Spitze der Kultur- und Wissenschaftsverwaltung bekommt. Es ist allerdings auch die Frage, wie sich ein Wolf Lepenies in den Niederungen Berliner Parteien- und Parlamentspolitik bewähren würde. Lepenies habe kaum eine Chance mehr, hieß es gestern in CDU-Kreisen. Doch der Regierende Bürgermeister hält sich bedeckt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Eberhard Diepgen eine überraschende Entscheidung fällt - zur Abwechslung einmal für die Kultur?

Rüdiger Schaper

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