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Berlin: Der Kurs ist klar: Her mit Harry Potter

Allgemeine Zustimmung für die Pläne der Verwaltung, mehr aktuelle Texte in der Schule einzusetzen, damit die Kinder das Lesen lernen

Harry Potter auf den Stundenplan – auf diese knappe Formel lassen sich die Ideen bringen, die derzeit in der Schulverwaltung diskutiert werden. Kinder im Grundschulalter sollen durch aktuelle Literatur mit stärkerem JetztBezug ans Lesen herangeführt werden (wir berichteten gestern). Geschichten von Erich Kästner, Gedichte und Erzählungen von Theodor Fontane oder Heinrich Heine sollen durch Harry Potter zwar nicht ersetzt, aber ergänzt werden. Klassiker wie Goethe und Schiller sollen dann, wie bisher, später auf dem Stundenplan stehen. Die Idee, mehr aktuelle Texte in den Unterricht zu bringen, findet allgemein Anklang.

Jobst Werner, selber Schulleiter in Steglitz, ist Landesvorsitzender des Philologenverbandes und findet die Initiative „ganz lustig“: „Kinder lesen nur das, was derzeit in ist“, weiß er aus Gesprächen mit Schülern. Daher sei es wichtig, aktuelle Bücher für den Unterricht zu verwenden, um die Kinder überhaupt ans Lesen heranzuführen. Werner unterstreicht, dass er die Klassiker nur bis zur Klasse sieben in den Hintergrund treten lassen will. Danach gehörten Goethe und Heine selbstverständlich auf den Stundenplan.

Auch der Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, findet den Vorschlag im Großen und Ganzen in Ordnung: „Es gilt, den Kindern eine positive Einstellung zum Lesen zu vermitteln. Wer diese positive Einstellung nicht hat, wird auch die Klassiker nicht lesen.“ Für Thöne muss es aber nicht unbedingt Harry Potter sein: „Jede aktuelle Literatur ist denkbar.“

Sabine Mähne, die Leiterin des Kinder- und Jugendliteraturzentrums LesArt in Mitte, kann sich mit dem Gedanken an Harry Potter als Unterrichtsstoff hingegen nicht anfreunden: „Warum muss etwas auf den Lehrplan, das sowieso jedes Kind schon kennt?“, fragt sie. Gegen aktuelle Literatur sei nichts einzuwenden, sie würde jedoch statt Harry Potter zum Beispiel den kleinen Hobbit vorziehen, „der ist sprachlich viel reicher“. Sie warnt davor, die Klassiker allzu sehr an den Rand in den neuen Rahmenplänen für den Unterricht zu drängen: „Die deutsche Sprache hat sich mit den Klassikern entwickelt, und es gibt schließlich Worte, die nur bei Goethe und Schiller auftauchen.“ Und diese Worte würden aus dem Sprachgebrauch verschwinden, prophezeit sie: „Das wäre ein größerer Bildungsverlust, als er jetzt da ist.“

Die Vorsitzende des Landeselternbeirates, Elisabeth Willkomm, fordert gleichzeitig aktuelle Texte und die Klassiker: „Wir brauchen beides. Alles, was Spaß macht, sollte angeboten werden.“ Eigentlich eine Binsenweisheit, will man Schüler im Unterricht motivieren, so Frau Willkomm.

So sieht es auch der schulpolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Uwe Goetze: „Ein sehr guter Vorschlag. Im Unterricht muss das einbezogen werden, worüber sich die Schüler unterhalten.“ Und das sei zum Beispiel Harry Potter. Seine FDP-Kollegin Mieke Senftleben stößt in dasselbe Horn. Sie findet es allerdings „völlig abstrus“, „hoch bezahlte Leute“ durch die Schulen ziehen zu lassen, um Lehrern die aktuelle Kinderbuchliteratur vorzustellen: „Man sollte die Lehrer nicht für dumm verkaufen.“ oew

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