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Berlin: Der liebe Gott im Schilderwald

Ein ungewöhnlicher Familiengottesdienst in St. Bonifatius in Kreuzberg

Fast wie in einer Fahrschule sah es gestern in der katholischen Kirche St. Bonifatius in der Yorckstraße aus. Rund um den Altar standen viele verschiedene Verkehrsschilder, die hatte Pfarrer Ulrich Kotzur organisiert, denn in seinem Gottesdienst ging es um Wege zu Gott. Auf einem Spruchband stand, was es dazu im Kapitel 14 des Johannes-Evangeliums zu lesen gibt: „Ich bin der Weg“. Das ist die Stelle, in der Jesus erklärt, dass man nur durch ihn zum Vater kommt. Und dass derjenige, der an ihn glaubt, auch an Gott glaubt.

Dass es auf dem Weg zu Gott manchmal so umständlich und langsam zugeht, wie auf den Straßen Berlins, dass man Umwege suchen muss und Geduld braucht, das brachte der Pfarrer seiner Gemeinde anhand der Verkehrsschilder bei. Er ließ sie raten, was die irdischen Schilder für den spirituellen Weg bedeuten. Und nicht nur die Fahrschüler kindlichen Alters beteiligten sich mit Begeisterung an den Deutungsübungen. Zum Überholverbotsschild sagte eine Frau, dass man nicht die Geduld verlieren möge und es zu Gott keine Konkurrenz gibt, sondern nur einen gemeinsamen Weg. „Wer sündigt, braucht länger zu Gott“, sagte ein Mann mittleren Alters angesichts eines vorn am Alter hochgehaltenen Umleitungsschildes. „Das ist vom Tiefbauamt Kreuzberg“, erklärte der Pfarrer und trug damit zusätzlich zur heiteren Stimmung in dem riesigen und deshalb kalten Kirchenschiff bei. Ein kleiner Knirps kannte gar schon das Zeichen für Spurverengung – Ulrich Kotzur half ihm, es zu deuten. Könne der Weg zu Gott doch durch Krankheit oder Schicksalsschläge mühseliger werden, er gehe aber trotzdem weiter. Im Gottesdienst finde man den Weg zum Vater; das stehe jedem frei – wurde das Vorfahrtsschild gedeutet.

Die Fahrschüler von St. Bonifatius vergaßen dann auch das Ereignis des Tages nicht – eine ihrer Fürbitten galt dem neuen Papst, der ihnen von Rom aus den Weg zu Gott weist.

Heidemarie Mazuhn

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