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Berlin: Der Liebe Gottes anvertraut

Taufe zum Gottesdienst in der Genezareth-Gemeinde

Wer gestern Vormittag am Herrfurthplatz die Kirchenglocken hörte, musste sich zum Gottesdienst sputen. Die evangelische Genezarethkirche mitten auf dem Platz wird umgebaut und erweitert – so lange findet der Gottesdienst einer der größten Gemeinden im Kirchenkreis Neukölln im Gemeindehaus an der Schillerpromenade statt.

Schöne alte Berliner Mietshäuser mit teilweise liebevoll begrünten Balkonen erinnern dort noch an die Zeit, als Ende des vorletzten Jahrhunderts das heute sozial eher problematische Quartier entstand. Als Gegenstück zum damals bereits dicht bebauten Rollberg-Viertel war der neue Stadtteil vornehmlich für einkommenstärkere Bürger geplant.

Dazu gehörten die knapp vier Dutzend Kirchgänger gestern im Gemeindesaal der Genezarethkirche sicher nicht. Vor einem Bühnenvorhang war mit einem schlichten Kreuz, Blumen und brennenden Kerzen ein Altar aufgebaut – daneben ein weißgedeckter Tisch mit Taufutensilien. Bekam doch die Genezarethgemeinde Zuwachs. Als zauberhaft und wunderschön bezeichnete Pastorin Elisabeth Kruse die winzige Neuköllnerin, die sie taufte und der Liebe Gottes anvertraute.

Unter der gestern versammelten Gemeinde fiel die wirklich zauberhafte Joyce Samantha im weiteren Verlauf des Gottesdienstes dann nicht nur durch ihren außerordentlichen Namen auf. War doch die mit Abstand jüngste Gottesdienstbesucherin gestern auch die mit Abstand stillste Zuhörerin – nicht nur die im Hintergrund des Gemeindesaals hörbar spielenden und malenden Dreikäsehochs, auch etlichen Großen fehlte vorübergehend die sittliche Reife.

Man sei nicht beim Hermannstraßenfest, rügte nach der Predigt ein älterer Herr die mangelnde Aufmerksamkeit. Vielleicht war es aber auch etwas zu schwer, das Zuhören. Über Jesajas Berufung zum Propheten predigte die junge Pfarrerin aus dem Kapitel 6 des Evangeliums. Jenes Kapitels, das es in sich hat – von himmelhochjauchzend bis zu Tode erschreckend. Da berührt ein Engel des Herren mit glühender Kohle Jesajas Lippen und lässt ihn so die heilige Nähe Gottes wie ein brennendes Feuer auf seinen Lippen spüren. Da lässt Gott aber auch Unheil über die Menschen kommen – nur die unverzagt Gläubigen überleben diese Prüfung. „Das zu verstehen und anzunehmen“, sagte die Pfarrerin, „dazu helfe uns Gott“. Gestern eine vielleicht zu schwere Hausaufgabe – wollten einige doch sicher nur fröhlich feiern, anschließend und rund um die kleine Joyce Samantha.

Heidemarie Mazuhn

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