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Berlin: Der Liebhaber Berlins Heute feiert Edzard Reuter 80. Geburtstag

Ohne ihn wäre die Hauptstadt nicht, was sie ist

Als er vor zehn Jahren Berliner Ehrenbürger wurde, war der große Wirtschaftskapitän gerührt, „zutiefst“, wie er bekannte. Ist Edzard Reuter also doch – wie man im Daimler-Konzern in Stuttgart flüsterte – innerlich immer in Berlin geblieben? Geboren jedenfalls ist er hier, an diesem Sonnabend vor 80 Jahren, und es kann keine Frage sein, dass er hier geprägt wurde, nach der Rückkehr aus der türkischen Emigration, in den Jahren, in denen sein Vater Ernst Reuter die Stadt regierte. Erst recht hat Berlin an diesem Tag allen Anlass, sich zu vergegenwärtigen, in welchem Maße er sich um seine Geburtstadt verdient gemacht hat.

Söhne berühmter Väter haben es oft schwer, aus deren Schatten zu treten. Edzard Reuter hat es geschafft – als die große Figur des Wirtschaftslebens, die er wurde, aber auch als der Mann von höchst eigenem intellektuellen Gepräge und starkem, oft schroffem Urteil. Vielleicht hat dazu beigetragen, dass er wie der Vater einen unkonventionellen Lebensentwurf realisierte: Wie dieser vom wilheminischen Bürgersohn zum Politiker wurde, so wurde er vom sozialdemokratischen Politikersohn zum Manager in der höchsten Spielklasse.

Auch sein Studien-Beginn lag neben dem Umfeld des Vaters: Er begann 1947 in Göttingen, als Fach Mathematik und Physik. Erst von 1949 an studierte er in Berlin, wechselte zu Jura und ging nach dem Examen in die Wirtschaft. 1964 holte ihn Hanns-Martin Schleyer zu Daimler-Benz und setzte den ersten Stein zu einer glanzvollen Karriere: Mitglied des Vorstands in den siebziger Jahren, 1987 Vorstandsvorsitzender. Alles zusammen das Beispiel eines erfolgreichen Berufslebens – das zugleich die Geschichte des Wagnisses enthält, mit einem gewaltigen Firmenverbund auf die technologischen und weltwirtschaftlichen Herausforderungen der Epoche zu antworten, um dann, als das Unterfangen in Turbulenzen geriet, kühl abserviert zu werden von Nachfolgern, Anteilseignern und der einschlägigen Öffentlichkeit.

So richtig fertig geworden ist Edzard Reuter damit nicht. Seine Erinnerungen „Schein und Wirklichkeit“ sind ein Buch auch mit bitteren Zügen geworden. Aber im Abstand der Jahre tritt das zurück, und erst recht in der Perspektive seiner Heimatstadt. Da bleibt im Gedächtnis, dass er es war, der die Bebauung des Potsdamer Platzes in Angriff nahm. Und dies bereits vor dem Mauerfall, als dieser noch eine kahle Fläche war. Gerade nach der Wende hat Reuter sich in vielfältiger Weise für Berlin eingesetzt, etwa als Aufsichtsratsvorsitzender der Bankgesellschaft, deren Zustandekommen er mit Nachdruck betrieben hat. Nach ihrem Scheitern wird auch seine Unterstützung der Olympia-Bewerbung gemischte Empfindungen wecken. Aber ändert das etwas daran, dass Edzard Reuter immer zur Stelle war, wenn die Stadt Rat brauchte? Er gehört zu jener durch Liebe zur Stadt verbundenen Berlin-Connection, jener kleinen großen Koalition der Unentbehrlichen, auf die sich die Stadt verlassen konnte – und die sie so dringend braucht. Das gilt nicht zuletzt auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet, das dem kultivierten, urbanen Kunstliebhaber besonders am Herzen liegt: das Aspen-Institut hat an ihm einen Freund, die Hofer-Gesellschaft, das Bauhaus-Archiv. Mit seiner Schaut-auf-diese-Stadt-Rede hat sich Edzard Reuter 1991 verewigt. Damals befürchtete Reuter, die Berliner könnten auf die neuen Chancen mit „Larmoyanz und Trotz“ reagieren, anstatt sich „auf die eigenen Stärken und ihre Wurzeln zu besinnen“. Sie war so, wie der Mann ist: ein komplizierter, fordernder, aber Maßstäbe setzender und vorlebender Charakter. Das andere Wort in diesem Zusammenhang hieß übrigens Posemuckel: Inbegriff dessen, wogegen dieser Fürsprecher von Aufklärung und individueller Anstrengung eine tiefe Abneigung hat. Hermann Rudolph

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