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Berlin: Der „Löwe von Münster“ wird selig gesprochen

Kardinal von Galen leistete den Nazis Widerstand. Eine Berliner Delegation ist am Sonntag bei der Zeremonie in Rom dabei – denn hier lebte er lange Jahre

In seiner oldenburgischen Heimat ist er längst heilig. Zwischen Cloppenburg und Vechta tragen Straßen seinen Namen, ist eine Volkshochschule und ein Gymnasium nach ihm benannt. Standbilder von Clemens August Graf von Galen stehen vor den Gebäuden. Am Sonntag vollzieht der Vatikan also einen Schritt, der nach Meinung der Katholiken des Bistums Münster längst überfällig ist: der ehemalige Bischof wird selig gesprochen.

Damit ehrt die Kirche einen, der sich im Dritten Reich mutig gegen die Euthanasieprogramme der Nazis ausgesprochen hat. Der von der Kanzel gegen den totalitären Staat wetterte und in der Kirche für die verfolgten Juden beten ließ.

Doch nicht nur aus Münster sind viele Gläubige zur Seligsprechung nach Rom unterwegs. Auch Berlin wird mit einer Delegation von 45 Katholiken im Petersdom vertreten sein. Denn von Galen war über zehn Jahre Pfarrer in der Schöneberger Gemeinde von Sankt Matthias. „Die Berliner Jahre von Galens sind bislang völlig zu kurz gekommen“, sagt Wolfgang Knauft. Der Prälat forscht in den Kirchenbüchern der Gemeinde für ein wissenschaftliches Symposion zum Leben des Bischofs.

Den größten Teil seiner priesterlichen Laufbahn absolviert von Galen in Berlin. 1906 kommt er als Kaplan nach Sankt Matthias und übernimmt das Amt des Seelsorgers in Sankt Clemens Maria Hofbauer am Anhalter Bahnhof. 46000 Reichsmark steckt er aus seinem privaten Erbe in den Aufbau eines Handwerkergesellenhauses in der Nachbarschaft. Doch als der Kaiser zum Ersten Weltkrieg ruft, ist es von Galen, der bei den dort beherbergten Gesellen dafür wirbt, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden.

„Er war sehr patriotisch gesonnen“, sagt Knauft, „hat in der katholischen Zentrums-Partei den rechten Rand bedient.“ Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs kann sich von Galen nicht für die ausgerufene Republik erwärmen. Es fehlt ihm nicht zuletzt der Gottesbezug in der Weimarer Verfassung. Aber er wird „Verstandsrepublikaner“, so Knauft, akzeptiert die Demokratie. In den Augen von Galens gibt es nämlich keine staatliche Ordnung, die nicht von Gott gegeben ist.

Anders als von Galen hatten Zentrumspartei und andere katholische Geistliche verstanden, in welcher Not sich die Demokratie in Deutschland befunden hat. So sieht der Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing noch 1941 in von Galen einen „durchschnittlichen Zeitgenossen von durchaus beschränkten Geistesgaben, der bis in die jüngste Zeit nicht gesehen hat, wohin die Reise geht, und daher immer zum paktieren geneigt hat.“

Preysings harsches Urteil ist geprägt von der politische Haltung von Galens. Den Niedergang der Weimarer Republik nimmt dieser teilnahmslos hin. Bei den Wahlen zum Reichspräsidenten 1925 unterstützt er nicht den Kandidaten des Zentrums, Wilhelm Marx, sondern den der nationalen Rechten, Paul von Hindenburg. Die Erfahrung von Diaspora und einer säkularisierten Gesellschaft, die von Galen in Berlin gemacht hat, prägen ihn, als er 1929 nach Münster zurückkehrt.

Er ist buchstäblich dritte Wahl, als er 1933 zum Bischof gekürt wird. Zuvor hatten die vom Domkapitel für dieses Amt ausgewählten Kandidaten verzichtet. Erst im dritten Durchgang kommt von Galen ins Spiel und wird gewählt. Er, dem Zeitgenossen nur ein durchschnittliches Redetalent bescheinigen, der bisweilen stotternd und zögernd redet, der sich durch seinen Werdegang immer zum Obrigkeitsstaat bekannt hat, setzt sich schließlich als erster deutscher Bischof öffentlich mit der nationalsozialistischen Ideologie auseinander und warnt. Zum Beispiel vor der Gestapo, der die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert war.

Zum „Löwen von Münster“ wird er im Juli und August 1941, als er in drei hintereinander folgenden Predigten deutlich Stellung gegen den Mord an Behinderten im Dritten Reich bezieht. „Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, so lange wir produktiv sind?“, fragte er und sagte: „Wehe den Menschen, wenn das heilige Gottesgebot ’Du sollst nicht töten’ nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird.“

Für die Nazis wird von Galen zur Gefahr. Durch seinen Druck stellen sie ihr Euthanasieprogramm zeitweilig ein. Überlegungen, den Bischof zur Warnung an andere öffentlich zu hängen, hat Goebbels beendet. Der Reichspropagandaminister wollte sich die Abrechnung mit von Galen für die Zeit nach einem Endsieg aufheben. Während des Krieges könne das Dritte Reich keinen katholischen Märtyrer gebrauchen.

Zur Abrechnung kam es nie. Nach dem Krieg wird von Galen für sein Engagement zum Kardinal erhoben. Den triumphalen Empfang in Münster hat er noch erleben können. Doch drei Tage danach wird er schwer krank und stirbt drei weitere Tage darauf am 22. März 1946.

St. Matthias feiert die Seligsprechung am 23. Oktober um 11 Uhr mit einem Gottesdienst im Beisein des Bischofs

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